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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman
Autoren: Jessica Grant
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Keine Bange.
    Ich blicke aus dem Fenster. Ich sehe Meer. Ich sehe Stadt. Ist das Fahrwerk ausgefahren, ich habe es nämlich nicht ausfahren hören.
    Wegen des Fahrwerks würde ich mir keine Sorgen machen. Die Katalogfrau befeuchtet ihren Daumen und blättert um. Würden Sie so etwas kaufen, fragt sie und zeigt auf eine Gartenfigur in Form eines Sumoringers.
    Nein. Ich schaue wieder aus dem Fenster. He. Ich sehe den Wednesday Pond, eine riesige Pfanne, in der sich das Gelb des Mondes spiegelt wie das gleichnamige Ei. Und die Piety-Pie-Kuchenfabrik, deren Schriftzug rosa leuchtet.
    Ist das die normale Einflugschneise. Als ich den Wednesday Pond das letzte Mal aus der Luft gesehen habe …
    Wegen der Einf lugschneise würde ich mir keine Sorgen machen, sagt die Katalogfrau.
    Ich presse die Stirn an die Scheibe. Ich drücke den Knopf an meiner Armlehne. Aufrechter geht’s nicht. Recht so.
    Wir fliegen eine Schleife über dem Meer, und jemand in Reihe 21 aufwärts sagt: Treibstoff ablassen.
    Die Katalogfrau zwinkert mir zu. Am besten gar nicht hinhören. Sie sind schon so gut wie zu Hause.
     
    Onkel Thoby holt mich ab. Ich erkenne ihn schon von Weitem an seinen grellorangenen Handschuhen. Der Flughafen hat sich verändert. Er hat spitzgekriegt, wie andere Flughäfen aussehen. Wer ihm das wohl verraten hat. Die Rolltreppe braucht ewig. Der alte Flughafen hatte niedrige Decken und war ständig überheizt.
    Wir haben Zeit, uns ausgiebig zu mustern, Onkel Thoby und ich, während ich langsam zum Landeanflug auf St. John’s International Airport ansetze. Seine Hände leuchten einweiserorange. Als ich seinen Gesichtsausdruck sehe, muss ich mich erst mal setzen. Normalerweise bin ich auf Rolltreppen immer auf der Hut. Ich halte mich aufrecht, kerzengerade, und das ohne zu tropfen. Aber als ich Onkel Thobys Miene sehe, werde ich plötzlich ganz wacklig auf den Beinen.
    Jemand schiebt mir von hinten die Hände unter die Achseln. Hoppla, junge Frau.
    Bitte nicht.
    Onkel Thoby erklimmt die versinkende Treppe. Oddly. Er hüllt mich in seinen lauten Mantel.
    Du hast gesagt, er liegt im Komma.
    Ich weiß, aber es ist vorbei.
    Punktum.
     
    D as ist der falsche Flughafen. Auf dem alten Flughafen gab es keine Rolltreppen, und wir waren alle noch am Leben. Das Gepäck klapperte laut über den ziegelrot gefliesten Boden. Wir kamen immer ein wenig früher und nahmen im IM BISS noch einen Imbiss zu uns. Der IM BISS war dunkel und hatte keine Fenster. An der Wand hingen Holzschnitte, die man aber kaum erkennen konnte. Dazu musste man sich schon auf seinen Stuhl stellen. Auf einem Holzschnitt wand ein Fischer sich in Todesqualen. Er sah aus wie Han Solo in Das Imperium schlägt zurück , wenn er von Darth Vader eingefroren wird.
    Vor dem IM BISS stand ein Rechteck aus Meer. Die Scheren der Hummer darin sahen aus wie mit Gummibändern gebändigte Pferdeschwänze. Sie waren harmlos. Man konnte die Hand ins Wasser tauchen und die Pferdeschwänze berühren. Man konnte erst den Meeresgrund berühren und dann in den Himmel fliegen, alles an ein und demselben Tag.
    Oder wenn man jemanden zum Flughafen brachte, konnte man sich draußen an den Maschendrahtzaun stellen und ihm zum Abschied winken. Wenn der Abreisende einen Fensterplatz hatte, konnte er einen am Maschendrahtzaun stehen sehen und mit einem hellen, fröhlichen Gegenstand zurückwinken, zum Beispiel mit der Safety Card oder der Kotztüte. Damit man wusste, welches sein Fenster war.
    Als ich abflog, winkte ich von Sitz 21F mit der Kotztüte. Onkel Thoby beschrieb mit dem linken Arm einen riesigen Bogen, wie ein Scheibenwischer. Mein Dad winkte klitzeklein, nur mit den Fingern. Sie waren doch dafür, dass ich mich wohlbehalten in dieses große Abenteuer stürzte, warum also machten sie so traurige Gesichter.
    Ich schaute ihnen vom Himmel aus zu. Ich schaute auch noch, als sie glaubten, ich sei längst verschwunden. Ich sah sie über den Parkplatz zum Wagen schlurfen. Ich sah, wie mein Dad sich erst mal aufs Pflaster setzte. Das tut er nämlich immer, wenn etwas Schlimmes passiert. Er ist nämlich genau so wacklig auf den Beinen wie ich.
     
    Onkel Thoby wartet schon seit drei Uhr am Flughafen auf mich.
    Morgens.
    Nein.
    Du bist seit zwölf Stunden hier.
    Stellen Sie ihn sich lieber nicht vor. Wie er da am Fuß der Rolltreppe steht. Unrasiert. Allein. Ich halte mich an seinem Mantel fest.
    Macht nichts, sagt er.
    Er nimmt meine Tasche, und wir gehen zum Ausgang.
    Die Drehtür ist neu. Man
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