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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte
Autoren: Amy Hempel
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Wucht der schlechten Neuigkeiten, denn in der gewaltigen durchdringenden Stille, nachdem Big Guy die Neuigkeiten gehört hatte, hatte sein Vater hinzugefügt: »Und was noch dazu kommt, die Cubs haben verloren.«
    »Naja weißt du«, sagt Big Guy dieser Tage über Wichtigkeiten und Nichtigkeiten, »ist ja nicht so, als ob die Cubs verloren hätten.«
    Jetzt könnte er es jeden Moment wieder sagen – hier, zwischen dem Spülen und Runterschütten, auf den runden roten Sitzbänken des Flughafencafés, mit seinen müden, reisenden Großeltern, die uns am Tisch gegenübersitzen. Sie sind für die Trauerfeierlichkeiten hergeflogen, und fliegen heute wieder nach Hause. Big Guy ist so schnell gefahren, dass wir jetzt Zeit totschlagen müssen. Er glaubt, dass die ausgeschilderte Geschwindigkeitsbegrenzung anzeigt, wie langsam man nicht fahren darf. Er hat gerade seinen Lernführerschein bekommen, also fährt er bei jeder Gelegenheit, die er kriegen kann. Ich bin sechs Monate älter als Big Guy; das macht mich in den Augen der Verkehrsaufsicht zu einer Erwachsenen.
    Der Großvater bestellt Frühstück von der Plastikspeisekarte. Er sagt, er hätte gern »die Eier frisch von der Ranch, knusprigen Bacon und frisch gepressten Orangensaft.« Big Guy findet das unerträglich. Um so mehr, als seine Großmutter laut aus der Speisekarte vorliest.
    »Was ist mit dem goldenen French Toast mit Ahornsirup?«, sagt sie. »Jack, Liebling, wie wäre es mit Belgischen Waffeln?«
    Bevor seine Großmutter »Haferkuchen« anstelle von »Pfannkuchen« sagen kann, gibt Big Guy der Kellnerin ein Zeichen und zeigt auf das, was er aus der Speisekarte will.
    Wir anderen bestellen. Dann wendet sich der Großvater an seinen Enkel. »Also«, sagt er. Er sagt: »Also, was sagst du?«
    »Was?«, sagt Big Guy. »Oh. Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was ich sage.«
    In den letzten paar Tagen hat man uns in so manchem Bistro antreffen können. Es war nicht leicht für Big Guy. Sein Großvater versucht immer, die Kellnerinnen ins Vertrauen zu ziehen und glaubt, dass sie ihm die Wahrheit darüber sagen werden, was an diesem Tag besonders gut ist. Big Guy findet das unerträglich. Er sagt: »Opa, mach’s mit Würde – schnauz sie doch einfach an.«
    Aber sein Großvater macht weiter und fragt mit wohlgesetztem Nachdruck, ob er noch mehr Kaffee haben kann und was Big Guy nach der Highschool vorhat.
    Big Guy peilt ein Glas Wasser an. Eiswasser. Dann bewegt sich seine Hand in Zeitlupe (er tut dies zu meinem Vergnügen) zu der wieder aufgefüllten Kaffeetasse.
    »Wie in Ägypten«, sagt er, eine Seitenbemerkung, ein Bezug darauf, dass ich ihm erzählt hatte, wie die Ägypter Stein spalteten – wie sie unter einem Findling einen Tunnel gruben und eine schmale Spalte in die Unterseite des Felsens schnitten. Wie sie dort ein Feuer entfachten, es mehrere Tage schwelen ließen. Wie, wenn sie dann kaltes Wasser oben auf den Felsen gossen, das Ding sauber wie vom Blitz getroffen zersprang.
    Wir müssen schnell essen, wenn die Großeltern ihren Flug bekommen sollen. Während wir auf die Rückkehr der neuen besten Freundin des Großvaters warten, zieht er seinen Enkel wegen etwas auf, das gestern passiert ist, etwas, das Big Guy unerträglich fand. Der Großvater sagt: »Komm schon, Jack, was ist so schlimm daran, in Aufzügen zu sprechen?«
    Was das angeht, könnte ich es sagen. Ich könnte meinem Freund einen Blick zuwerfen und ich könnte es sein, die sagt: »Er hat recht. Schau mal, ist ja nicht so, als ob die Cubs verloren hätten.«
    Big Guy ist die Person, der ich alles erzähle. Im Austausch gegen meine Bekenntnisse erzählt mir Big Guy Geheimnisse, von denen ich nicht erzählen kann, sonst wären sie ja nicht unsere Geheimnisse.
    Das Nähen ist eins der Geheimnisse zwischen uns. Nur Big Guy weiß, wie beträchtlich ich schummeln musste, um mein Pfadfinderinnen-Nähabzeichen zu bekommen. Es ist eine Tatsache, dass mein Näherinnenabzeichen auf die grüne Baumwollschärpe geklebt ist.
    Also musste es ein Witz gewesen sein, als Big Guy mich bat, ihm das Nähen beizubringen. Ich kann keine Blende mit großen Stichen reihen oder einen Abnäher mit Heftgarn markieren, aber ich kann den Faden durch die gottverdammte Nadel fädeln und bringe einen einigermaßen gleichmäßigen Steppstich zustande. Es war der Steppstich, den ich Big Guy beibrachte; er begriff ihn schneller, als mir das je gelungen war. Er übte auf einem viereckigen Flicken aus steifem blauen
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