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Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Titel: Die Erlösung der Frauen (German Edition)
Autoren: Lucius Forster
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Tatsache.
    Als Zwischengericht servierte Johann ein Ragout von Rehherzen mit Oliven. Die Tiere waren vor einigen Tagen von Johanns Onkel geschossen worden, einem leidenschaftlichen Jäger, der im Alpenvorland ein großes Revier gepachtet hatte. Johann hielt einen ausschweifenden Monolog über die verschiedenen Einlegeverfahren, die dem strengen Geschmack des Wilds entgegenwirken sollten. Er wusste natürlich ganz genau, dass Donald sich dafür im Grunde nicht sonderlich interessierte, nutzte aber den Moment, da sein Gast mit dem Essen beschäftigt war, um ein wenig vom Thema abzulenken. Schließlich begann auch der rote Grand Cru seine Wirkung zu entfalten und die Stimmung erheblich aufzulockern. Beim Hauptgang, einem Fasan in Portwein-Sahnesauce, serviert mit Pfifferlingen und Spätzle, hatte Donald seine sinnlosen Selbstzweifel längst wieder vergessen und begann, von seiner neuesten Entdeckung zu sprechen: Einer jungen Filmstudentin aus Thessaloniki, die er auf einem verregneten Grillfest kennen gelernt hatte.
    Sie hat diese typischen, schwarzen Krauselocken, die immer ein wenig ungepflegt aussehen, auch wenn sie frisch gewaschen sind. Ihre Nase ist riesig, zu groß für ihr schmales Gesicht. Wenn sie lacht, sieht man ihr Zahnfleisch. Ihre Augen sind viel zu weit auseinander. Eigentlich hat sie Ähnlichkeit mit einem Pferd.
    Klingt nicht sehr attraktiv.
    Sie ist potthässlich. Und noch dazu unglaublich dumm. Wenn man ihr in die Augen schaut, blickt man direkt ins Leere, so als ob dahinter das Universum anfängt.
    Was reizt dich dann an ihr?
    Genau das. Sie ist wie die Schöpfung: Unvollkommen und primitiven Regeln unterworfen. Sie weiß nicht, dass sie erlöst werden will.
    Das kann ich nicht nachvollziehen.
    Weil du ein Ästhet bist. Für dich ist die inszenierte Schönheit das einzige, wofür es sich zu leben lohnt. Das hast du ja heute Abend wieder bewiesen. Verstehe mich nicht falsch, ich bewundere die Sorgfalt, mit der du jeden Handgriff unternimmst und wie du genau auf jedes noch so kleine Detail achtest. Aber das ist eine künstliche Welt, die du da kreierst. Die Natur gehorcht ganz anderen Regeln.
    Natürlich tut sie das. Aber wir leben doch nicht mehr in der Steinzeit. Das ist doch die einzig wirkliche Qualität des Menschen, dass er eine Form des Geschmacks entwickelt hat, die über die primitiven Affekte erhaben ist.
    Aber du versuchst krampfhaft, alles andere auszuklammern. Deswegen gehst du ja auch kaum mehr aus dem Haus. Weil du die Welt da draußen hässlich findest. Sie langweilt dich.
    Das stimmt.
    Nach dem Hauptgang zogen sie sich auf eine weitere Filterzigarette in den Rauchersalon zurück, wo sie ein Gläschen Dessertwein zu sich nahmen. Johann wusste, dass Donald ein gutes Dessert nicht zu schätzen wusste und lieber mit einem exquisiten Sauternes vorlieb nahm. Als sie fertig geraucht hatten, öffnete er den kirschhölzernen Humidor und nahm zwei Havannas heraus. Dazu tranken sie mehrere Gläser 73er Islay Single Malt und als sie endlich betrunken genug waren, den Dingen freien Lauf zu lassen, begann Johann seinen Gast über verschiedene Sexualpraktiken auszufragen. Er hatte neulich in einem Lifestyle-Magazin gelesen, dass acht Prozent der sexuell aktiven Deutschen regelmäßig Analverkehr betrieben und sich, ohne Erfahrungen in dieser Sache vorzuweisen zu können, gefragt, ob eine solche Neigung innerhalb der klassischen Freudschen Theorien auf eine psychologische anale Fixierung zurückzuführen sei. Donald verneinte die Frage.
    Ich glaube nicht. Der echt anal verklemmte Mensch, dem ist der Arschfick doch viel zu schmutzig, der ist doch lieber mit seinem kleinen Geheimnis allein, so wie auf der Toilette. Ich halte das vielmehr für eine große Selbstbefreiung, ein erleichterndes Überschreiten der Grenzen.
    Das macht also den Reiz aus? Die Grenzüberschreitung?
    Naja, das ist auch so eine Vertrauensfrage. Man fühlt sich gewissermaßen aufgewertet, dass die Frau einen da rein lässt. Das ist wie wenn sie dir ihr Tagebuch zu lesen gäbe.
    Ein Gefühl des Triumphes also.
    Aber nicht im einseitigen Sinne. Ihr Vertrauensbeweis ist sozusagen ihr Triumph.
    Und das ist alles? Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche Praxis, die ja das biologische Prinzip der Penetration ad absurdum führt, rein emotional funktionieren soll. Dem muss doch irgendein primitiverer Drang zugrunde liegen.
    Wenn du so willst, sind das die Schmerzen oder die offensichtliche Ahnung, dass ihr das eigentlich keinen
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