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Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Titel: Die Erlösung der Frauen (German Edition)
Autoren: Lucius Forster
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wiederholt sich. Erst ist Revolution, dann ist Krieg und dann wird aufgeräumt. Danach ist wieder Revolution.
    Du schreibst ja nur vom Aufräumen.
    Ist doch auch der interessanteste Teil. Wir kehren immer wieder zum Status Quo zurück. Auch wenn wir uns verändern wollen, am Ende bist du wieder da, wo du angefangen hast.
    Das ist mir zu unkonkret.
    Schau mal, du bist zum Beispiel ein Typ, der keine großen Ambitionen hat. Ich respektiere das. Aber andere Leute reden den ganzen Tag nur davon, dass sie irgendwas verändern wollen in ihrem Leben: Ein besserer Job, eine größere Wohnung, eine neue Frau, ein Kind oder was weiß ich. Die einen wollen Weinbauern werden, die anderen Hubschrauberpiloten und wieder andere wollen in die Politik gehen und die Welt verbessern. Aber egal, was sie tun, sie werden immer unzufrieden bleiben, weil das Problem viel grundlegender ist: Sie wollen nämlich eigentlich jemand anderes sein.
    Wer wollen sie denn sein?
    Das wissen sie selbst nicht.
    Als sie zu Ende geraucht hatten, führte Johann seinen Gast ins Esszimmer, wo sie an einem großen Eichentisch Platz nahmen. Von der Decke hing ein schwerer kristallener Kronleuchter, die Wände waren mit Samt verkleidet. Johann hatte ein hellblaues, zum Teppich passendes Tischtuch ausgewählt und das bereit liegende Porzellangedeck mit orangefarbenen Rosenblättern verziert. Ein Plattenspieler stand in der Ecke, bestückt mit einem frühen Verdi. Johann öffnete eine Flasche 2005er Château Mouton-Rothschild und goss reichlich davon in die bauchigen Gläser. Nach einem ersten Schluck bemusterte er sorgfältig das zufriedene Gesicht seines Gasts und ging in die Küche, um das entrée aufzutragen: Einen großen Teller Belon-Austern. Johanns Weinhändler, ein freundlicher Franzose, hatte die erst an diesem Morgen geerntete Delikatesse in einem Kühlwagen aus der Bretagne bis nach Deutschland gebracht, zusammen mit mehreren Flaschen Chardonnay 2003er Sauzet Etienne Montrachet. Als auch die Weißweingläser gefüllt waren, begann Johann, mit einem vergoldeten Austernmesser die Schalen zu öffnen, während Donald auf sein Telefonat mit Gabriele zu sprechen kam. Johann lauschte seinen Ausführungen mit großem Interesse und schien ernsthaft berührt zu sein, was sich vor allem darin äußerte, dass er es vermied, ein vorschnelles Kommentar zu der Sache abzugeben. Erst als Donald sein Beschämen darüber kundtat, dass ihm der bevorstehende Tod einer ehemaligen Geliebten nicht sonderlich nahe ging, sah sich Johann dazu veranlasst, darauf einzugehen.
    Du hast also ein schlechtes Gewissen, weil du sie nicht liebst?
    Weil ich nie geliebt habe. Weder sie noch irgendeine andere.
    Aber das macht doch nichts.
    Findest du das nicht ein bisschen pervers?
    Überhaupt nicht. Ich finde das völlig normal. Ich glaube auch, dass die wenigsten Menschen zur Liebe fähig sind. Die anderen reden sich das nur ein.
    Auch die Frauen?
    Natürlich. Gerade die.
    Johann träufelte etwas Zitronensaft auf die geöffneten Austern und sogleich begannen sie, das köstliche Fleisch aus den Schalen zu schlürfen. Der salzige Geschmack erinnerte Donald ans Meer und er musste schon wieder an Barbados denken. Vielleicht hätte er sie wirklich retten können. Nicht vor dem Tod natürlich, aber zumindest vor der Gewissheit, ein schrecklich einsamer Mensch gewesen zu sein. Er hatte viele Herzen gebrochen und sich kein einziges Mal dafür geschämt. All die unzähligen Frauen, die er gleichgültig betrogen oder verlassen hatte, schwirrten ihm nun im Kopf herum wie böse Geister und eine unfassbare Nervosität erfasste ihn. Johann mahnte ihn zur Vernunft.
    Du nimmst dich selbst viel zu wichtig. Es ist nicht deine Aufgabe, andere Menschen glücklich zu machen. Jeder, der sich anmaßt, dies tun zu wollen, ist ein überhebliches Arschloch. Was ist denn geworden aus all den Weibern? Ist es dir wirklich gelungen, ihr ganzes Leben zu zerstören? Ich glaube kaum. Die meisten haben dich wahrscheinlich längst vergessen.
    Das ist mir schon klar. Ich überlege ja bloß, ob ich irgendwas falsch gemacht habe.
    Diese neue Form der Selbstreflexion steht dir überhaupt nicht. Du machst dich da selbst zum Opfer gesellschaftlicher Konventionen. Die Erzählung der wahren Liebe ist nur ein utopisches Ideal, genauso wie die Erzählung der Freiheit oder dass alle Menschen gleich sind. Die meisten denken nur an sich selbst.
    Und das findest du gut so?
    Ich betrachte das völlig wertfrei. Das ist eine ganz banale
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