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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks
Autoren: Jörg Zipprick
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Tür zur Küche einziehen lassen«, wäre das nicht eine Idee für »die Mönchs-Diät«, ein zukunftsweisendes Konzept, entlehnt aus dem Mittelalter?
    Und die Köche? Sklaven wie in der Antike waren sie nicht mehr. Sie wirkten jedoch über Jahrhunderte anonym im Hintergrund. Immerhin: Das Ständebuch Livre de métiers von Etienne Boileau berichtet 1268, dass Köche eine Lehrzeit von zwei Jahren absolvieren mussten.
Taillevent
    Zu Ruhm brachte es Guillaume Tirel genannt Taillevent, also »Schneidewind« (1310-1395), der in Diensten von König Philipp VI., des Herzogs der Normandie sowie der Könige Karl V. und Karl VI. in Frankreich stand. Im Jahr 1362 soll der normannische Herzog ihm für gute und loyale Dienste 100 Goldfrancs überlassen haben, auf dass er ein Haus in Paris erwerbe. Sein Grabstein steht heute im Museum von Saint-Germain-en-Laye: Neben dem Koch, damals noch nicht in Uniform, zeigt Letzterer auch seine beiden Ehefrauen.
    Taillevent wird das Kochbuch Le Viandier zugeschrieben, inzwischen gilt jedoch als gesichert, dass es schon vor Tirels aktiver Zeit verfasst wurde. Le Viandier ist ein festliches Kochbuch fürden Gebrauch bei Hofe. Natürlich verrät es, wie man einen Schwan zünftig zubereitet; mehr noch, Taillevent verrät, wie man mit schimmelnden Schwänen umzugehen hat:
    A US L E V IANDIER :

    22. Fleisch, Kaninchen und Hühnersuppe
Nehme Fleisch, zerschneide es und brate es leicht in Schmalz mit etwas fein gehackten Zwiebeln. Zermahle reichlich Mandeln, weiche sie in Wein und Rinderbrühe ein und koche sie mit Fleisch. Zermahle Ingwer, Zimt, Nelken, Paradieskörner, Muskatnuss und nur ein bisschen Safran, und gebe es in Verjus. Es sollte ziemlich gelb und dick ausfallen.

    50. Pfau, Schwan
Töte ihn wie Gans, lasse den Kopf und den Schwanz, spicke ihn, brate ihn golden, und esse es mit feinem Salz. Er hält mindestens einen Monat, nachdem er gekocht wurde. Wenn es oben schimmelt, entferne den Schimmel, darunter ist er weiß, gut und solide.

    52. Störche
Feder sie wie Gans, lasse die Füße, Schwanz und Kopf, brate ihn, spicke ihn, und esse ihn mit feinem Salz.

    135. Austern
Koche sie in Wasser, brate sie in Öl mit Zwiebeln, und esse sie als Austernragout oder (Gewürz-)Pulver oder Knoblauch.

    136. Miesmuscheln
Koche sie in Wasser mit etwas Essig und (wenn gewünscht) etwas Minze. Beim Herausnehmen Gewürzpuder zufügen. Einige wünschen Butter mit ihnen. Esse sie mit Essig, grünem Verjus [Saft unreifer Trauben] oder grünem Knoblauch. Sie können ein Ragout aus ihnen machen, wenn Sie es wünschen.

    137. Jakobsmuscheln
Wähle sie gut, reinige und wasche sie, bräune sie in Öl mit gehackten Zwiebeln und Gewürzpulver, und esse sie mit gutem weißem Knoblauch.
    Knoblauch ist hier ein Synonym für Saucen aus zerstampftem Knoblauch, Brot und Verjus (weiße Variante) sowie zerstampftem Knoblauch, Brot, Gemüse und Verjus (grüne Variante).
    Le Viandier gibt wichtige Tipps zur Präsentation pompöser Gerichte. So kann der Koch einen Schwan häuten, die Karkasse braten, mit gelbem Ei bestreichen, in der Haut verstecken und den Hals mit Hilfe von versteckten Holzstäbchen aufstellen. Pfauen werden identisch behandelt, benötigen jedoch Holz und Kupferdraht, damit sie bei Tisch post mortem ein Rad schlagen können.
    Als ältestes »Rezeptbuch« in deutscher Sprache gilt das Buoch von guoter Spîse . Es entstand um 1350 am fürstbischöflichen Hof in Würzburg und überliefert unter anderem folgende Rezepte.
    R EZEPT AUS B UOCH VON GUOTER S PÎSE

    21. Eine gute Speise [Schweinsdarm und Magen]
Nehme einen gekochten Schweinedarm und den Magen, schneide den gekochten Darm in vier Teile, den großen und den kleinen, danach schneide das Ganze in Streifen und den Magen schneide man auch klein, und schneide dann beide, Magen und Darm, jeweils auch seitwärts, so klein man möchte. Man nehme Petersilie, Poleiminze und Pfefferminze, Salbei, hart gekochte Eier und viele schöne Brotkrümel und ein wenig Pfeffer und ein Ei in eine Schüssel. Dies mahle man mit Essig und mit guter Brühe, sodass es nicht zu sauer werde, und gebe es auf die Innereien und gebe Schmalz hinzu. Man lasse es erhitzen und sobald es dick wird, serviere man es und versalze es nicht.
    Wichtiger Hinweis: Falls Sie dieses Rezept auch nur in Ansätzen nachkochen, verwenden Sie bitte nur wenig Poleiminze. Sie enthält das Gift Pulegon.
    R EZEPT AUS B UOCH VON GUOTER S PÎSE

    30. Eine gute Speise [Hühnerragout mit Quitten]
Nehme Hühner
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