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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks
Autoren: Jörg Zipprick
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Meersalzgewinnung begonnen. Doch Salz war kostspielig, den Reichen vorbehalten und ein politischer Machtfaktor. Städte wie Reichenhall machte es reich, zwischen Salzburg und Bayern herrschte später, 1610, gar ein »Krieg um’s Salz«, der 1611 mit dem Einmarsch der Bayern in Salzburg endete.
    Seit dem 11. Jahrhundert verbesserte sich die Versorgungslage langsam durch die Einführung der Dreifelderwirtschaft. Dazu wurde die Anbaufläche in drei Teile geteilt. Jeder davon lag ein Jahr lang brach und wurde dann als Weide genutzt. Sommergetreide wuchs auf einem zweiten, Wintergetreide auf dem dritten Acker. So blieb der Boden fruchtbarer. Auf dem brach liegenden Feld gediehen außerdem Hülsenfrüchte wie Erbsen, die fortan zur Alltagsernärung beitrugen. Historiker Schubert nennt dies den »Siegeszug der Erbse«. Gesichert war die Nahrungsmittelversorgung deshalb aber noch lange nicht. Regelrechte Hungerkatastrophen sind für die Jahre 1043 bis 1045, 1195, 1198 und 1225/1226 nachgewiesen, dazu kamen regional begrenzte Hungersnöte, etwa 1272/1273 in Friesland. In Frankreich durchlitten die Menschen im 12. und 13. Jahrhundert 81 Hungersnöte.
    Getrunken wurde Wein, Bier und Regenwasser. Wer am Brunnen trank, lief Gefahr, sich mit diversen Keimen zu vergiften.
    Auf Lebensmittelfälscher war im Mittelalter niemand gut zu sprechen. Unsere Vorfahren verstanden beim Panschen keinerlei Spaß. Mit einer Meldung in der Lokalpresse und einer Geldbuße war es damals nicht getan. Im Jahr 1316 wurden 16 Bäcker an den Pranger gestellt und ins Exil geschickt, weil sie ihr Brot mit Abfällen durchmischt hatten. 1444 wurde in Nürnberg der »Safranschmierer« Jobst Findeker mitsamt seiner Ware aufdem Scheiterhaufen verbrannt. Zwölf Jahre später begruben die Nürnberger als Strafe für dieses Delikt eine gewisse Elsa Fragnerin bei lebendigem Leib.
Fleischverzehr verboten
    In den christlichen Gesellschaften des Mittelalters bestimmte die Religion den Speiseplan. An Fastentagen untersagte die Kirche den Fleischkonsum. Zu manchen Zeiten, etwa vor Ostern, mussten die Menschen zudem auf Eier, Käse und Milch verzichten. Das christliche Jahr kannte bis zu 150 solcher Fastentage!
    Folgerichtig stellten sich mittelalterliche Köche die Frage, wie sie das Verbot möglichst wohlschmeckend und gleichzeitig frei von Sünden umgehen konnten: Mandelmilch ersetzte Kuhmilch, das galt als problemlos. Fisch war erlaubt, zur Not gab es die »konservierten Varianten« wie Salzhering und Stockfisch. Letztendlich hing der Speiseplan jedoch an der kreativen Interpretation des Wörtchens »Fisch«. Waren das wirklich nur Tiere mit Flossen und Gräten? Oder nicht vielleicht auch noch Krebse und Muscheln? Und dann gab es auch noch Biber, Otter und Wasservögel, die einen beträchtlichen Teil ihrer Lebenszeit im Wasser verbrachten. All das wurde an Fastentagen munter vertilgt.
    Auf die Spitze getrieben wurde die sehr freie Auslegung der kirchlichen Regeln mit der Nonnengans. Nach mittelalterlichem Glauben schlüpfte die nämlich aus einer Muschel an einer Art »Seepockenbaum«. Das Tier heißt auf Englisch barnacle goose , wobei barnacle mit »Seepocke« übersetzt werden kann. Ergo war die Gans sozusagen der Abkömmling der Muschel und damit eine ideale Speise für die Fastentage.
    Die Adligen hingegen schwelgten in Luxus. Ludwig IX. ließ sich in Frankreich im Jahr 1241 Suppen, Fische, Braten, Zwischengerichte mit farbigen Gelees, Schwäne, Pfauen und Fasane auftischen. Schnäbel und Krallen des Geflügels waren vergoldet, man gönnte sich ja sonst nichts. Überhaupt das Geflügel: Der Adel verzehrte Pfauen, Schwäne, Kraniche, Drosseln, Fettammern und Reiher. Dem Bürgertum blieb das Huhn.
    Gewürze brachten es im Mittelalter zum Statussymbol. Sie kamen über die Seidenstraße aus China nach Arabien, wo sie nach Venedig, Amalfi, Pisa und Genua verschifft wurden. Pfeffer galt als Kostbarkeit, dazu kamen Ingwer, Zimt, Gewürznelken, Safran, Kümmel, Mandeln und Muskat. Bezüglich der Dosierung streiten sich die Gelehrten: Einerseits gab es bei Hofe fast überall regelrechte Gewürzspeicher, allerdings wurden dort auch Dutzende, manchmal sogar Hunderte von Gästen bewirtet. Andererseits verlangt das Libro per cuoco , ein italienisches Kochbuch aus dem 14./15. Jahrhundert, nach etwa 220 Gramm Gewürzen für zwölf Personen.
    Zuweilen wird behauptet, Ingwer, Zimt und Safran mussten den strengen Odeur vergammelnden Fleisches überdecken; wer nicht über die
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