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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks
Autoren: Jörg Zipprick
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es eine Fusionsküche mit Einflüssen aus Griechenland, Rom, Syrien und ganz Arabien. Die vermögenden Bürger von Byzanz schätzten Fischrogen, aßen Spinat, der ursprünglich aus dem persischen Raum kam, und Auberginen, die aus Indien stammten. Sie bauten Zitronen und Orangen an. Etliche Gerichte, die wir heute in der türkischen oder griechischen Küche schätzen, haben ihren Ursprung in Byzanz, etwa stark gesüßte Speisen wie Baklava oder gefüllte Weinblätter.
    Von 632 bis 1100 n. Chr. erlebte zudem die junge islamische Zivilisation eine wahre Blütezeit: Algebra, Sextanten, Injektionsspritzen, Astrolabien, das alles und vieles mehr wurde von arabischen Gelehrten er- und gefunden. Ob Augenheilkunde oder Pharmakologie, die arabische Zivilisation verfügte gegenüber der westlichen Welt über einen technologischen Vorsprung.Inspiriert wurden die Gelehrten vom antiken Griechenland. Besonders nach der Einnahme von Alexandria im Jahr 642 studierten Philosophen die Werke Platons und Aristoteles’. Bagdad avancierte zum geistigen Zentrum des Mittelalters, Manuskripte aller Völker, auch der Griechen und Römer, wurden ins Arabische übersetzt. Die Landwirte erhielten Kenntnis von Struktur und Feuchtigkeit des Bodens und konnten so vier Mal im Jahr ernten. Auch die Bewässerungstechnologie wurde verbessert, weshalb viele arabische Bewässerungsanlagen in Nordafrika fälschlicherweise den Römern zugeschrieben würden, behauptet der amerikanische Autor Clifford A. Wright in seinem Buch A   Mediterranean Feast . Die neuen Techniken wurden selbstverständlich auch in den islamischen Gebieten in Europa, zum Beispiel in Spanien, genutzt, das von 711 bis 1492 von Mauren beherrscht wurde.
    Die schlechte Nachricht für Köche: Sie waren, zumindest nach heutigem Kenntnisstand, immer noch namenlos. Immerhin wissen wir, dass es sie gab.
    Im Jahr 512 brachte der byzantinische Arzt Anthimus am Hofe Theoderichs des Großen (471-526) sein Werk De observatione ciborum zu Papier – kein Kochbuch, sondern eine Art »Gesundheitsbuch« mit Rezepten. Der Mediziner empfahl Gewürze, Essig und Honig zu einem Rindsragout und vergaß nicht zu erwähnen, ob die Zutaten in Theoderichs Heimat bei Metz überhaupt verfügbar waren. Typische Zutaten der römischen Küche wie Oxymel aus Honig, Essig, Regenwasser und Meersalz oder Oenomel aus Honig und Traubensaft tauchten auf. Das waren römische Essensempfehlungen für einen König, der nie ein Römer gewesen war.
    Wenn wir ans Mittelalter denken, erscheinen vor unserem inneren Auge weder Oxymel noch Oenomel, sondern dicke, geröstete Schweine und Ochsen, dazu gegrillte Hirschkeule und ein paar ordentlich durchgebratene Hühner, dargeboten auf einem hölzernen Tisch neben einem Fass Wein. Das ist Hollywood. Die mittelalterlichen Bauern kannten solche filmreifen Festmähler nicht, bei denen ganze Hühner mit bloßen Händen in zwei Teile geteilt und verschlungen wurden. Der Ernährungsalltag bestand aus Suppe und Brot.
    Aus Frankreich ist bekannt, dass Brote ein bis zwei Mal pro Monat in Gemeinschaftsöfen gebacken wurden. In die Suppe wanderten Lauch, Karotten, Rüben oder Kohl. Einmal gekocht, wurde sie über eine Scheibe Roggenbrot geschüttet. Weil nur zwei Mal im Monat gebacken wurde, war das Brot natürlich hart. Erst die Flüssigkeit weichte es wieder auf. Die Bauern verzehrten die gute Suppe mit Brot morgens, mittags und abends, direkt auf dem Tisch, ohne Teller. Im Spätmittelalter, um 1300, verzehrte jeder Esser im Schnitt 200 Kilogramm Brot im Laufe eines Jahres, fast vier Mal mehr als heute. Wild wachsende Früchte und Beeren sowie Kastanien ergänzten den Speiseplan.
    Damals wurden, so der deutsche Historiker Ernst Schubert, 80 Prozent des Haushaltseinkommens für den Nahrungserwerb aufgewendet. Falls die Preise auf den Märkten anzogen, etwa nach Missernten, war die Versorgungslage der Menschen akut bedroht. Das Konservieren von Nahrungsmitteln für schlechte Zeiten war daher überlebenswichtig. Wie in der Antike wurde getrocknet, gedörrt, gebeizt und geräuchert. Dazu kam, je nach Region, das Einlegen von Fleisch im eigenen Fett, wie es beim französischen Confit heute noch üblich ist.
    Für die Konservierung von Fisch und anderen Lebensmitteln war die Salzversorgung elementar. Handelsrouten verbanden »Salzregionen« wie die Ostalpen, Lothringen oder das Elbe-Saale-Gebiet mit den Städten. Schon im 9. Jahrhundert wurdeauf der französischen Île de Noirmoutier mit der
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