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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks
Autoren: Jörg Zipprick
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Haute Cuisine.
    So zumindest wird die Genese der französischen Küche allgemein erklärt.
    Der Appetit des Riesen Gargantua wurde vom Schriftsteller Francois Rabelais beschrieben. Noch heute steht sein Name für üppige Festmähler.
Zwei Italiener in Paris
    Doch kann es so einfach gewesen sein? Zwei Köche kochen dem Rest des Landes etwas vor und alle machen es nach?
    Fest steht, dass die italienischen Köche damals ausnehmend erfolgreich waren. Sie beherrschten Techniken, die bei ihren französischen Kollegen unbekannt waren. Zum Beispiel verwendeten sie bei der Herstellung von Saucen ein Passiertuch, wie im Kochbuch De honesta voluptate ac valetudine aus dem Jahr 1475 geschrieben steht. Der päpstliche Bibliotheksverwalter Bartolomeo Sacchi, auch Platina genannt, dokumentiert darin die Rezepte von Martino da Como, einem Koch, der im Vatikan arbeitete.
    Es heißt, De honesta voluptate sei das erste gedruckte Kochbuch gewesen, seit Gutenberg um 1450 den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand. Wie ein moderner Bestseller wurde es natürlich auch übersetzt: Von der Eehrlichen, zimlichen, auch erlaubten Wollust des leibs lautet der deutsche Titel. In den verschiedenen fremdsprachlichen Versionen wurde das nach Belieben erweitert oder zensiert. Keine Übersetzung ist inhaltlich identisch mit dem Original.
    Eigentlich war Platinas Werk ein Gesundheitsbuch. Wie die Mediziner der Antike und des Mittelalters hielt er darin die Viersäftelehre in Ehren, wonach Gesundheit und Krankheit, aber auch das »Temperament« vom Gleichgewicht oder Ungleichgewicht der »Körpersäfte« Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle abhängen. Auch Nahrungsmitteln waren solche Begriffspaare zugeordnet, die auf die Lehren der antiken Ärzte Hippokrates und Galen zurückgingen. Milch bitte nicht mit Fisch servieren, denn beide sind »feucht und kalt« wie der Schleim. Gewürze hingegen galten als »warm und trocken«wie die gelbe Galle und deshalb für die ebenfalls »warmen und trockenen« Choleriker weniger geeignet. Solche gesundheitlichen Erwägungen waren für die Zusammenstellung vieler mittelalterlicher Gerichte wichtiger als ihr Geschmack.
    Als Verfasser eines umfangreichen Ratgebers gab Platina sogar Tipps zum Liebesleben. Geschlechtsverkehr sei, so Platina, weniger befriedigend im Sommer und Herbst. Winter und Frühling seien besser geeignet.
    Er erklärt eindeutig, dass die Rezepte des Buches auf den Koch Martino da Como zurückgehen, nennt diesen sogar seinen Freund. Einige der rund 200 Rezepte könnte man als Vorläufer einer Regionalküche sehen: Krebse aus Venedig und Würste aus Bologna sind darunter. Bei Gewürzen zeigte er eine ruhigere Hand als seine mittelalterlichen Kollegen. Minze, Salbei, Majoran, Fenchel und Zimt liegen ihm mehr als kräftige Aromenspender wie Pfeffer und Ingwer. Neben vielen anderen Rezepten enthält das Buch auch eine frühe Version der beliebten Polpette. Damals waren das keine Fleischbällchen. Martino nutzte eine Scheibe aus der Kalbshaxe, auf die er eine Mischung aus gut gehacktem Fenchel, Pinienkernen, Majoran, Petersilie, Speck, Gewürzen und Salz gab. Dann wurde das Fleisch gerollt und am Spieß gebraten. Der Koch des Papstes kannte die Werke des Apicius ebenso wie die Arbeit seiner Kollegen im Ausland. Gebratene Rebhühner nach katalanischer Art bekamen einen Schuss Orangensaft und wurden mit Zucker, süßen Gewürzen und dem Saft unreifer Trauben gebraten.
    Bartholomeo Sacchi, genannt Platina, war Humanist, Bibliothekar und Kochbuchautor. Seine Einsichten gingen weit über Küche und Keller hinaus.
    Die Italiener konnten kochen. Zahlungskräftige Klientel in Rom und Florenz sowie die Blüte der Künste und der Philosophie in Italien hatten die Vorgänger von Martino da Como anscheinend zu Höchstleistungen angespornt. Schriftsteller wie Dante und Boccaccio oder Maler wie Giotto hatten den Aufstiegder italienischen Metropolen begleitet. Mit dem Vatikan und der Patrizierfamilie der Medici, immerhin Bankiers des Papstes, verfügten die italienischen Köche auch über anspruchsvolle und zahlungskräftige Auftraggeber. Bartolomeo Scappi (1500-1577), Leibkoch von Papst Pius VI., legte 1570 die reich illustrierte Rezeptsammlung Opera dell’ arte del cucinare vor. Er serviertebereits Tortellini mit Kräutern und Parmesan in Fleischbrühe und erwähnte die Foie Gras.
    Kein Wunder also, dass seine Kollegen nach der Hochzeit der Katharina von Medici auch am französischen Hof arbeiteten. Doch erfanden
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