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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks
Autoren: Jörg Zipprick
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und brate sie, dass sie noch nicht völlig gar sind, zerteile sie in Häppchen und lasse sie nur in Wasser und Schmalz sieden. Und nehme eine Brotkruste und Ingwer und ein wenig Pfeffer und Anis, dasman mit Essig und mit derselben Stärke zerstößt. Und nimm vier gebratene Quitten und die Würze zu den Hühnern, lasse es gut damit kochen, dass es gerade dick wird. Wenn man keine Quitten hat, so nimmt man gebratene Birnen und mache es damit und serviere es und versalze es nicht.
    Höchstwahrscheinlich handelt es sich beim Buoch von guoter Spîse um die Abschrift einer älteren Vorlage, die vom Protonotar Michael de Leone in Auftrag gegeben wurde.
    Aus dem deutschsprachigen Raum stammen außerdem das Alemannische büchlein von guter Speise (um 1400) des Meister Hansen, nach eigenen Angaben »des von Wirtenberg Koch«, sowie das Kochbuch des Meister Eberhard . Der stand in Diensten von Herzog Heinrich XVI. von Bayern-Landshut, der zwischen 1404 und 1450 regierte.
    Meister Eberhard brachte freilich nur 24 Rezepte zu Papier, der Rest seiner Schriften betrifft Arzneien, Salben und Öle sowie Eigenschaften von Kräutern und anderen Zutaten. Er war des Lateinischen mächtig und schrieb wie ein Gelehrter.
    Ob Viandier oder das Buoch von guoter Spîse : Die spätmittelalterlichen Schriften zeigen, dass die Köche ihre römischen Vorbilder abgelegt hatten.
    Vollends ausgestorben war die Kost des Römischen Reiches deshalb allerdings immer noch nicht. Noch 1550 erzählt der Franzose Pierre Belon von einem höchst populären Garum auf Basis von Makreleninnereien, das in Konstantinopel serviert wurde.
    Noch leistet der Schwan Widerstand, doch der Koch schwingt schon das Messer. Sein Fleisch wird auf einem Festbankett serviert.
    Ein Klassiker der gehobenen Küche des Mittelalters: Der Pfau wurde gern optisch herausgeputzt, musste dank Draht und Streben noch post mortem sein Rad schlagen.
Das Haushaltsbuch einer 15-Jährigen
    Ein klein wenig bescheidener und praktischer fallen die Rezeptempfehlungen im Pariser Haushaltsbuch Le Ménagier de Paris (um 1392-1394) aus. Das Werk ist eine Art Haushaltsanleitung für alle Aspekte des täglichen Lebens, die von einem vermögenden, älteren Bürger seiner 15-jährigen Ehefrau überreicht wurde. Die junge Dame studierte dort nicht nur Anleitungen für Pasteten, Fisch, Suppen und Fleisch – etliche Rezepte entstammen dem Viandier  –, sie lernte auch vieles zur Verwaltung des Gartens und des Hauses sowie ihren Mann zu lieben und ihm zu gehorchen.
    Offenbar fanden Generationen von Leserinnen solche Tipps durchaus angemessen. Gut 550 Jahre nach dem Haushaltsbuch erklärte Marianne Berger 1957 in Besser kochen – besser leben aus dem Labor, Verzeihung, aus der Versuchsküche des stets wohlmeinenden Maggi-Konzerns: »Der Haushalt ist unser Beruf. Der Gatte hat einen anderen. Es tut ihm wohl, wenn wir immer neu sein Talent, sein berufliches Geschick, seine geschäftliche Tätigkeit loben und ihn nicht stets daran erinnern, dass es auch Frauen gibt, die Brücken bauen, Traktoren führen, Magen operieren, predigen, fliegen, Kleider entwerfen, Banken leiten und Gesetze aufstellen […] Es freut ihn, wenn wir an einem gewöhnlichen Wochentag sein Lieblingsgericht kochen.«
    Womit wir wieder bei Maggi wären. Oder beim Pariser Haushaltsbuch.

2. I TALIENISCHE A NTIPASTI UND D IALOG DER L ECKEREIEN AUS DER N EUEN W ELT
    Dank François Rabelais (1494-1553), einem Mediziner, Priester und Schriftsteller, fanden Essen und Trinken zur Zeit der Renaissance einen verdienten Platz in der Literatur. Seine Romanfiguren Gargantua und Pantagruel kosteten sich förmlich durch ihr Leben. Gargantua und Pantagruel waren Riesen, verfügten daher über riesenhaften Appetit und stehen als solche symbolhaft für den Renaissance-Menschen in seinem Übermaß, der sich als wahren König des Universums betrachtete. Noch heute werden üppige Menüs in Frankreich mit den Worten gargantuesque und pantagruelique beschrieben. Überhaupt müssen Völlerei und Übermaß für Menschen, denen der Hunger eine alltägliche Gefahr war, verlockend geklungen haben.
    Denn Übermaß herrschte nach wie vor nur am Königshof.
    Als Katharina von Medici den späteren König Heinrich II. im Jahr 1547 heiratete, kam sie mit italienischen Hofköchen nach Paris. Die krempelten sofort die Ärmel hoch, schafften die mittelalterliche Küche ab und entwickelten dank ihrer transalpinen Techniken neben ihren Pflichten bei Hofe auch die französische
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