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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah
Autoren: Ludek Pesek
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kennt, stimmt nach kurzem Zögern mit dieser Lösung überein und sagt: »Ein angenehmes Wochenende wird es kaum, James. Ich beneide Sie nicht.«
    »Ich werde mir Patience legen«, entgegnet Gray humorvoll. »Und wenn ein Sturm kommt, mach' ich die Fensterläden zu, zünde eine Kerze an und esse Kirschkompott.« Seine Worte wirken auf uns ebenso unangenehm und gezwungen wie die für den Nüchternen peinliche Fröhlichkeit eines Betrunkenen. Ich werde mir dessen bewußt, daß wir gar keinen Spaß mehr verstehen, daß wir gar keinen Wert auf Humor legen, ebenso wie ein Roboter nicht danach verlangt. Jeder Versuch, die Handlungen meiner Gefährten oder die eigenen phsychologisch zu betrachten, erscheint mir anstrengend und überflüssig. Nur ganz entfernt und mit Widerwillen erinnere ich mich hier und da an meine Bestimmung in der Marsexpedition. In den letzten Tagen spüre ich irgendwo in der unteren Gehirnschale und im Nacken, jenem Nistplatz der Angst, einen ununterbrochenen Druck. Verwirrt durch die Hinterhältigkeit dieses Ansturms von Schmerzen, will ich die Ursachen suchen. Doch alles, wozu ich mich aufraffe, ist nur ein Blick auf die dahingleitende Oberfläche von Felsen, Steinen und Staub und das sonderbare Gefühl, daß die Wesen, die sich so schwerfällig um mich bewegen, keine Menschen, und die Stimmen, die ich höre, nur Reproduktionen von Aufnahmen aus einer anderen Welt sind.
    Als wir losfahren, steht Gray auf den abgekoppelten Anhänger gestützt und winkt uns mit der Hand einen Gruß nach. Ich sehe mich um, solange ich im Nebel zwischen den Felsen noch das Anzeichen einer Bewegung erkennen kann.
    Es gelang uns, bis zum Abend den südöstlichen Hang der Barriere zu bewältigen. Der Staubnebel war inzwischen dünner geworden. Die untergehende Sonne entflammte den Kamm der Barriere. Die rotgefärbte, staubige Atmosphäre glühte wie ein riesiges Lavafeld. Es war ein wunderbarer Anblick, doch unsere Phantasie war jetzt viel mehr mit dem Umstand beschäftigt, daß wir auch von diesem erhöhten Standort keine Verbindung mit der Basis herstellen konnten. Was war geschehen?
    Von der anderen Seite der Barriere fangen wir die schwache Stimme der Gelben Eidechse auf. O'Brien meldet, daß seine Gruppe durch den Gürtel der Staubsümpfe zu dringen versucht. Er spricht unzusammenhängend und bricht die Sendung vorzeitig ab. Wir wissen nicht, was wir davon halten sollen.
    In der Nacht leuchten die Sterne. Doch am Morgen fegt wieder ein starker Nordwind über die geglätteten Felsen der Barriere, und an der windgeschützten Seite wirbeln in wildem Reigen gelbliche Staubwolken. Die Rückkehr zum zweiten Anhänger kommt vorläufig nicht in Frage. Mit Besorgnis denken wir an den verlassenen Gray. An diesem Tag wurde das Wetter zwar nicht mehr besser, doch der Kapitän war entschlossen, höchstens noch vierundzwanzig Stunden zu warten und dann bei jedem Wetter den zweiten Anhänger zu holen. In der Nacht legte sich aber der Wind, und am Morgen schien die Sonne. Die ganze Barriere glitzerte im rosaroten Rauhreif. Ein herrlicher Anblick. Als entschieden wurde, wer beim Anhänger am Kamm der Barriere bleiben sollte, um mit Signalraketen die Orientierung zu sichern, meldete ich mich. Ich kann nicht sagen, was mich dazu veranlaßte. Vielleicht Kopfschmerzen. Vielleicht das Bedürfnis nach Ruhe.
    Der Kapitän, Sheldon und Compton fuhren mit der Grünen Eidechse und ließen mich in der phantastischen Einsamkeit zurück. Ich setzte mich neben dem Anhänger auf den Boden, mit dem Rücken gegen einen Felsen gelehnt, und schaute in die unübersehbare Wüste, die sich in einem gigantischen Kreis rund um mich ausdehnte. Jetzt war ich der Mittelpunkt all dessen. Ich war Mittelpunkt meines privaten Alls geworden und dachte darüber nach. Es waren jedoch keine tiefschürfenden Gedanken. Ich versuchte zu begreifen, was für das Weltall den Vorrang hat: das Bestreben, zu wirbeln, zu kreisen, sich zu bewegen, oder das Bestreben, die Bewegung aufzuhalten und in eine herrliche, ewige Bewegungslosigkeit zu verwandeln.
    Am zweiten Tag gegen Abend kehrt die Grüne Eidechse glücklich mit Gray und mit dem zweiten Anhänger zurück. Als wäre die Barriere wirklich eine Scheide an der Grenze von Laune und Hoffnung, meldet sich endlich nach vielen Tagen auch die Basis; beim letzten Sturm war durch die starken elektrischen Entladungen das Sendegerät schwer beschädigt worden. Trott geht es gut. Silcott will wissen, wie der Erkundungsflug der Libelle
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