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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah
Autoren: Ludek Pesek
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ausgefallen ist. Jetzt hat der Kapitän Gelegenheit, die Wahrheit zu sagen. Am Apparat in der Basis ist Watts. Er wiederholt die Frage. Der Kapitän schweigt. »Kapitän, hören Sie mich?« meldet sich Watts von neuem. »Ich frage nach Lawrensons Flug.«
    »Ich verstehe«, sagt der Kapitän. Dann folgt eine lange Pause, bis Watts sich wieder meldet. »Ach so«, sagt er nur und schweigt lange. Dann war das Gespräch nur noch dienstlich kurz. Der Kapitän wollte nicht, daß die Nachricht über Lawrensons Flug zur Erdzentrale gefunkt würde, ehe die tragische Angelegenheit in Ruhe von der ganzen Besatzung auf der Basis besprochen worden war.
    Später sprachen wir noch mit O'Briens Gruppe. Die Gelbe Eidechse war auf völlig unbefahrbares Gelände geraten. Der
    Kapitän forderte O'Brien von neuem zur Rückkehr auf und machte ihm den Vorschlag, daß wir am Kamm der Barriere auf ihn warten und Signalraketen abschießen würden. O'Brien äußerte sich nicht dazu. Er sagte, daß er morgen versuchen werde, das unpassierbare Gelände in einem Bogen nach Südosten zu umfahren. Der Kapitän, empört über eine solche geradezu pathologische Halsstarrigkeit, sagte der Gruppe Verderben voraus und forderte O'Brien nachdrücklichst auf, sich zu vergegenwärtigen, daß er seiner fixen Idee nicht allein nachjage. »Das ist es ja, was ich bedaure«, entgegnete O'Brien und unterbrach die Verbindung.
    Wir diskutierten über den Sinn dieser Bemerkung und schlossen daraus, daß in der Gruppe offenbar keine einheitliche Meinung herrschte. Um so größer war jedoch unsere Unruhe und unsere Sorge um ihr Schicksal.
    Weil die Folgen des lange andauernden Verbleibens in den Raumanzügen für den Gesundheitszustand aller Expeditionsmitglieder immer belastender und quälender wurde, beschlossen wir, nicht auf der Barriere O'Briens Gruppe zu erwarten, sondern die Zwangspause auf dem Rückmarsch zu einem Erholungsaufenthalt auf Sion zu benutzen. Am nächsten Tag fuhren wir langsam den nordwestlichen Hang der Barriere hinab. Plötzlich rutschte unter dem zweiten Anhänger der Grünen Eidechse der Boden am Rand des Kraters weg, und der Anhänger kippte auf dem steinigen Hang um. Die Fässer mit Brennstoff und Kisten mit Proviant wälzten sich in einer Staubwolke den Hang hinunter. In diesem Augenblick neigte sich auch, gezogen vom Gewicht der beiden Anhänger, die Grüne Eidechse zur Seite. Sheldon rüttelte wütend am Sicherungshaken und schrie uns zu, daß wir den Hang hinauflaufen sollten. Schwerfällig eilten wir alle vom Rand des Kraters fort, aus dem ein dunkles Dröhnen erscholl. Compton und ich schleppten den lahmen Gray.
    Als nach einer Weile der aufgewirbelte Staub zu Boden sank, sahen wir unten zwischen den Felsblöcken der Steinlawine die verstreuten Reste der Vorräte und die Trümmer des Anhängers. Die Grüne Eidechse stand überhängend am Rand des Felsens und sah aus wie ein müdes, ausgespanntes Pferd. Es war völlig windstill, und die Sonne schien hell.
    27
    Von nun an herrschte für eine lange Reihe von Tagen Windstille. Die längste Ruhezeit in der Atmosphäre, die Morphy in seinen Beobachtungen verzeichnete. Wir schleppen uns zwischen den Felsen am Boden der Schlucht dahin und suchen aus der Lawine den Rest unserer Vorräte heraus. Es ist nur wenig, was nicht vernichtet oder irgendwo unter Steinen begraben liegt. Als wir alles zusammengezählt haben, ergibt sich eine traurige Bilanz: Lebensmittel und Getränke für etwa vierzehn Tage, bei normaler Zuteilung pro Mann, zwei Fässer Treibstoff für den Schlepper und Sauerstoff für acht Tage, vorausgesetzt, daß die Geräte nicht auf Volleistung eingeschaltet werden. Das bedeutet, physische Anstrengungen absolut vermeiden und mit dem Atem sparen.
    Die Angst ist jetzt kein Gespenst des Unterbewußtseins mehr. Irgendwo unter unseren Füßen liegen die Metallzylinder mit den chemischen Vorräten. Leider wissen wir nicht, wo. Die Angst peitscht die Sinne und alarmiert den Verstand. Am liebsten würden wir uns auf die Lawine stürzen, die Steine wegschleudern, um den Schatz zu suchen, der hier sinnlos für alle Ewigkeit liegen wird. Statt dessen sitzen wir mit beunruhigend schweren Gliedern und beraten, was wir unternehmen sollen. Sollen wir Sion suchen, wo sich Sauerstoff reserven befinden? Mit ein bißchen Glück könnte es uns gelingen, in sechs Tagen die Astra zu erreichen. Das ist genauso lange, wie wir bei körperlicher Anstrengung mit dem ganzen Sauerstoffvorrat auskommen können,
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