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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit seinem Bauch gegen die Tischkante. »Wiederholen Sie das, Genosse! Ganz langsam. Meine Ohren sausen …«
    »Ich liebe Lyda Lobowa, meine Frau.«
    »Aha!« Pujatkin sah Lobow mit ehrlicher Verblüffung an. »Man gewöhnt sich daran, in Millionen zu denken …«
    »Das Geld interessiert mich nicht.«
    »Laut Testament des alten Stavros stehen Ihnen als Ehemann jährlich 150.000 Dollar zur Verfügung.« Pujatkin lachte verhalten. »Der gute Penopoulos kannte sein Töchterchen. Wer im Bett aushält, muß ein Pflaster dafür bekommen. Schwache Knie mit Geldscheinen umwickeln – das soll eine gute Therapie sein …«
    »Genosse Oberst, ich habe den Eindruck, wir reden aneinander vorbei.«
    »Seien Sie still, Boris Jegorowitsch.«
    »Ich meine es ehrlich. Ich liebe meine Frau. Ob sie Penopoulos heißt, oder ob ich sie aus einer Kolchose vom Traktor geholt habe – für mich ist das gleich. Wir haben nur ein Ziel: glücklich zu werden. Ein großes Ziel, wir wissen es beide. Darum werden wir kämpfen.«
    »Lobow, Sie sollen den Mund halten.« Pujatkin schichtete mit beiden Händen die ausländischen Zeitungen zu einem Stapel. »Ich verrate Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, daß Sie einer meiner liebsten Offiziere sind. Daß ich wie ein Vater für Sie empfinde. Nichts gegen Ihre Mutter Maja Gawrilowna. Eine gute, feine Frau. Sie hat alles für Sie getan, nachdem Ihr Vater Jegor Andrejewitsch 1944 bei Borissow von den Deutschen erschossen wurde. Aber seien Sie ehrlich, Boris: Wer hat erst aus dem schmächtigen Jungen einen Mann mit Verantwortungsbewußtsein gemacht? Der KGB! Und ich! Ich habe Ihr Talent frühzeitig erkannt.«
    »Das ist richtig, Genosse Oberst.«
    »Und da kommen Sie jetzt und verdrehen die Augen und stottern: ›Ich liebe meine Frau Lyda Lobowa!‹ Wo soll das hinführen, Boris?! Natürlich sollen Sie die Erbin lieben – aber mit nüchternem Verstand. Jede Nacht einen Schritt dem Ziel näher! Jede Umarmung eine Stufe weiter. Jeder Kuß eine Niete, mit der Sie unseren Einfluß festigen. Das ist ein Kampf, Boris! Und Sie haben ihn übernommen!«
    »Vor zwei Jahren sah alles anders aus.« Lobow senkte den Kopf und blickte auf den Boden. Das sommerliche Licht, das über Moskau lag und eine drückende Wärme in den Straßen staute, ließ seine blonden Haare schimmern. Ein netter Mensch, dachte Pujatkin. Manchmal sieht er sogar schön aus. Aber wenn er jetzt anfängt, labil zu werden, muß man ihn wieder fest in der Erde verankern.
    »Vor zwei Jahren«, sagte Lobow nachdenklich, »war Lyda für mich nur ein typisches Produkt des Kapitalismus. Ich kannte sie ja nur aus den Zeitungen …«
    Kostas Portales, Pariser Direktor der ›Penopoulos-Linie‹, hatte keine guten Nachrichten. Wie jeden Morgen, wenn Lyda in Paris weilte und den Konzern dann statt von Monte Carlo von der Avenue Foch aus leitete, war er zum Vortrag gekommen.
    Was niemand geglaubt hatte, hatte sich fast über Nacht als eine erstaunliche Tatsache erwiesen: Mit dem Tode ihres Vaters Stavros war seine Tochter Lyda, die alleinige Erbin, nachdem die Witwe Nany sich grollend zurückgezogen und die Drohung, das Testament anzufechten, sich als unwirksam erwiesen hatte, in die Leitung des Riesenunternehmens eingetreten, als habe sie bisher nie etwas anderes getan.
    Der Tod ihres Bruders Perikles, an dem der alte Stavros bald zerbrochen wäre, denn all seine Hoffnungen hatte er auf seinen Sohn vereinigt, rief Lyda aus dem süßen Leben, das sie bisher geführt hatte, in das Elternhaus zurück. Mit 23 Jahren begann sie ihre ›Lehre‹, assistierte dem Vater in New York, saß in Monte Carlo, der geistigen Schaltzentrale der Penopoulos-Gruppe, zehn, zwölf Stunden ohne Ermüdungserscheinungen in ihrem Büro und arbeitete sich in ein Imperium ein, welches so weit verteilt und vielfältig verknüpft war, daß es jedem Außenstehenden die Möglichkeit verwehrte, auch nur annähernd das Vermögen des alten Stavros zu schätzen.
    Trotzdem sagte man bei den Direktoren: Wenn der Alte einmal nicht mehr ist, wird man sich Gedanken machen müssen … Eine Frau wie Lyda an der Spitze – das wäre ein langsamer, aber nicht aufzuhaltender Untergang. Vom Vater hat sie viel geerbt, vor allem die Ausdauer, den Jähzorn, die Unberechenbarkeit. Aber nicht das unternehmerische Genie. Wer als kleiner Griechenjunge mit geliehenen Dollars angefangen hat und dann zu einem der reichsten Männer der Erde wurde, der ist nicht kopierbar, den kann man nicht ersetzen. Zudem
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