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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Entscheidungen bei mir einzuholen.«
    »Bravo«, hatte damals Kostas Portales gemurmelt. »Du bist eine gute Schülerin – von mir. Nur weiter so, kleine Lyda! Zeig ihnen, was eine Erbin ist.«
    Seither hatte sich vieles geändert.
    Sie hatte zum zweitenmal geheiratet, den Bankier Alexander Kampanos. Und auch diese Ehe war schon nach wenigen Monaten gescheitert, weil auch Kampanos ihr nicht geben konnte, was sie so verzweifelt suchte, seit sie denken konnte: Wärme, Geborgenheit, Liebe. Einen Platz zum Ausruhen. Eine Hand, die Sorgen wegstreichelt. Eine Stimme, die sie in den Schlaf wiegt. Einen Mann, der Vorbild ist.
    Wie immer, wenn sie die Nähe eines Mannes suchte, scheiterte sie auch hier an ihrem Vaterkomplex. Zwar war die Ehe noch gültig, aber zu sagen hatte man sich nichts mehr. Man lebte getrennt. Kampanos meistens in Athen, Lyda in New York, Paris, Monte Carlo oder auf ihrer Jacht. Ab und zu auch auf Sapharin. Dort saß sie dann vor den Sarkophagen ihres Vaters und ihres Bruders Perikles, sprach mit den Toten und weinte und kam doch immer wieder gestärkt zurück zu den Befehlszentralen ihres Konzerns.
    Kostas Portales deutete eine höfliche Verbeugung an und trat näher. Er setzte sich auf den Lederstuhl vor dem Schreibtisch und legte die Mappe auf die polierte Mahagoniplatte.
    »Schlecht?« fragte Lyda. Ihre Lippen zeigten ein etwas verkrampftes Lächeln. »Aber Sie haben eine Lösung, Kostas, nicht wahr? Wieviel Schiffe liegen still?«
    »Sechsundzwanzig, Lyda.«
    »Fast die Hälfte!«
    »Die weltweite Ölsparwelle. Die Antwort auf die arabischen Erpressungen mit dem Erdölpreis. Die Japaner haben die Frachtsätze schon wieder gesenkt, dank staatlicher Subventionen. Es wird lebensgefährlich, jetzt Reeder zu sein.«
    »Wir müssen uns angleichen, Kostas.«
    »Dann setzen wir bei jedem Schiff Hunderttausende zu.«
    »Das müssen die anderen Betriebe herauswirtschaften. Das ist nur ein vorübergehender Zustand. Die Wirtschaft kann nicht immer auf Sparflamme kochen; das würde weltweite Arbeitslosigkeit und große Krisen bedeuten. Wir müssen so viel Luft haben, daß wir die Durststrecke überstehen. Ich motte die Schiffe ein und schäle sie wieder heraus, wenn der Handelskrieg vorbei ist.«
    »Für neun Schiffe bietet sich ein neuer Partner an …«, sagte Kostas zögernd. »Heute morgen rief er an, ich bekam das Gespräch durchgestellt. Es klingt interessant.«
    »Dann her damit!« Lyda nickte ihrem Lehrmeister freudig zu. »Neun Schiffe, Kostas! Voll ausgelastet?«
    »Voll! Ein Zweijahresvertrag.«
    »Und warum zögern Sie noch?«
    »Ich habe Bedenken.«
    »Drücken sie den Preis so tief? Dann eben nicht, lieber motte ich ein.«
    »Der Anrufer akzeptiert unseren Preis. Er handelte nicht einmal, er wollte keine Rabatte, keine Sicherheiten, keine gleitende Preisklausel. Er akzeptierte voll.«
    »Wer ist es?«
    »Der Anrufer nannte sich Okoschkin.«
    »Noch nie gehört.«
    Kostas Portales räusperte sich wieder. »Es sind auch neue Kunden in unserem Kreis, Lyda. Der Anrufer sondierte bei uns im Auftrag der ›Sowjet-Export- und Handelsmission‹, hier in Paris.«
    »Russen?« fragte Lyda verblüfft. »Russen wollen meine Schiffe?«
    »Sie bieten Fracht rund um die Welt und brauchen dringend drei Großtanker für Übersee. Ich vermute: Westliches Afrika – Angola und Ostafrika – Moçambique. Eine gefährliche Sache, Lyda. Krisenherde. Ich scheue vor einer Zusage zurück.«
    »Wie hätte mein Vater jetzt gehandelt?« fragte sie und beugte sich etwas vor. Ihre großen, dunklen Augen flimmerten. »Sie kennen ihn am besten, Kostas.«
    »Er mochte die Russen nicht. Er ist auch nie in die Lage gekommen, für Russen zu arbeiten. Ihr Vater war voll und ganz westlich. Er betrachtete sich als Angehöriger des Abendlandes. Aber in der heutigen kritischen Lage …«
    »Er hätte abgeschlossen, nicht wahr?«
    »Die Firma kennt nur eine Politik: Leben!«
    »Also leben wir!« Sie blinzelte Kostas zu. Jetzt ist sie wieder ein kleines Mädchen, das eine neue Puppe bekommen hat, dachte Portales. Aber was sie sagte, paßte wenig zu dieser Vorstellung: »Den Preis bestimme ich, wenn sie schon Penopoulos-Schiffe haben wollen! Ich werde ihnen sagen, daß wir die Russen gar nicht nötig haben …«
    »Sie kennen unsere Situation genau, sonst hätten sie nicht nachgefragt.« Kostas zog das Telefon zu sich und blickte in sein Aktenstück. Er wählte eine Nummer und reichte den Hörer an Lyda weiter. Gleichzeitig schaltete er
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