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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: John Grisham
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Großspurigkeit verging ihm jedoch alsbald, als ihm bewusst wurde, dass sie dramatisch unterversichert waren. Vier Straßen weiter lag ihr Grundstück, ein Trümmerfeld, das allmählich von Pflanzen überwuchert wurde. Mrs. Pickle aus dem Nachbarhaus hatte versprochen, ein Auge darauf zu haben, aber es gab nicht viel zu bewachen. Die Nachbarn warteten darauf, dass ein schönes neues Haus errichtet wurde und die Brigances zurückkehrten.
    Jake schlich in Hannas Zimmer, küsste sie auf die Wange und zog ihre Decke ein Stückchen höher. Sie war jetzt sieben, ihr einziges Kind, und es würden auch keine weiteren mehr kommen. Sie ging in die zweite Klasse der Clanton Elementary School, wo ihre Mutter nur ein paar Räume weiter die Vorschüler unterrichtete.
    In der engen Küche schaltete Jake die Kaffeemaschine an und wartete, bis sie sich geräuschvoll an die Arbeit machte. Er öffnete seinen Aktenkoffer, berührte kurz die halb automatische 9-Millimeter-Pistole, die darin lag, und steckte ein paar Akten hinein. Dass er jetzt ständig mit Waffe herumlief, deprimierte ihn. Wie sollte man auf diese Weise ein normales Leben führen? Doch ohne die Waffe ging es nicht. Sie hatten sein Haus niedergebrannt, nachdem sie versucht hatten, es zu sprengen; sie hatten seine Frau am Telefon bedroht; sie hatten ein Kreuz in seinen Vorgarten gebrannt; sie hatten den Mann seiner Sekretärin bewusstlos geprügelt, sodass er später starb; sie hatten einen Attentäter geschickt, dessen Schuss Jake verfehlt und stattdessen einen Wachmann getroffen hatte; sie hatten während des Verfahrens Angst und Schrecken verbreitet und auch danach nicht aufgehört zu drohen.
    Vier der Terroristen saßen inzwischen Haftstrafen ab – drei davon im Bundesgefängnis, einer in Parchman. Nur vier, rief sich Jake immer wieder ins Gedächtnis. Es hätte mindestens ein Dutzend Verurteilungen geben müssen, da war er sich mit Ozzie und anderen schwarzen Führungspersönlichkeiten im County einig. Aus Gewohnheit und Frust rief Jake mindestens einmal die Woche beim FBI an, um sich nach dem neuesten Stand der Ermittlungen zu erkundigen. Nachdem drei Jahre vergangen waren, wurde er oft nicht einmal zurückgerufen. Dann schrieb er Briefe. Seine Akte füllte einen gesamten Schrank in seinem Büro.
    Vier saßen ein, doch Jake kannte noch viele andere, die zumindest seiner Ansicht nach verdächtig waren. Manche waren weggezogen, andere geblieben, doch sie alle waren irgendwo da draußen und lebten ihr Leben, als wäre nichts geschehen. Und so trug er Waffen, mit Waffenschein und allem Drum und Dran. Eine war in seinem Aktenkoffer, eine in seinem Wagen. Im Büro hatte er mehrere verteilt. Seine Jagdwaffen waren in den Flammen geblieben, doch nach und nach würde er seine Sammlung wieder auffüllen.
    Er trat nach draußen auf die Veranda und sog die kühle Luft in seine Lungen. Direkt vor dem Haus auf der Straße stand ein Streifenwagen. Am Steuer saß ein gewisser Louis Tuck, der Deputy, der die Nachtschicht hatte. Er war vor allem dazu da, Präsenz zu zeigen und täglich von Montag bis Samstag pünktlich morgens um 5.45 Uhr neben dem Briefkasten zu stehen, wenn Mr. Brigance auf die Veranda heraustrat und ihm zuwinkte. Dann winkte Tuck zurück und konnte berichten, dass die Brigances wieder eine Nacht überlebt hatten.
    Solange Ozzie Walls Sheriff in Ford County war, und das würde zumindest noch drei Jahre der Fall sein, wahrscheinlich sogar viel länger, würden er und seine Behörde alles tun, um Jake und dessen Familie zu schützen. Jake hatte Carl Lee Haileys Fall übernommen, hatte für ein lächerliches Honorar sein Bestes gegeben, sich Drohungen und Attentaten ausgesetzt und am Ende sein Hab und Gut verloren, bis es zu dem Freispruch kam, über den in Ford County immer noch gesprochen wurde. Jake zu schützen war Ozzies oberste Priorität.
    Der Deputy fuhr los. Er würde den Block einmal umkreisen und zurückkommen, wenn Jake aus dem Haus war. Er würde das Gebäude beobachten, bis er in der Küche Licht sah und wusste, dass Carla aufgestanden war.
    Jake fuhr einen von zwei Saabs, die es in Ford County gab, rot, mit gut dreihunderttausend Kilometern auf dem Tacho. Er brauchte dringend ein neues Auto, konnte sich aber keines leisten. In einer Kleinstadt wie Clanton ein so exotisches Auto zu fahren war ursprünglich mal eine lässige Idee gewesen, doch jetzt fraßen ihn die Reparaturkosten auf. Die nächste Werkstatt war in Memphis, eine Autostunde entfernt. Jede
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