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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: John Grisham
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ihrem prallen Hintern, genau wie an jedem anderen Morgen der Woche außer sonntags. Ohne dass er etwas bestellte, brachte sie binnen Minu ten sein übliches Frühstück, das aus Weizentoast, Maisbrei und Erdbeermarmelade bestand.
    Während Jake Tabasco auf seinen Mais spritzte, fragte Prather: »Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich Seth Hubbard gekannt?«
    »Bin ihm nie begegnet«, erwiderte Jake und fing sich ein paar Blicke ein. »Ich habe seinen Namen ein-, zweimal gehört. Hatte er nicht ein Anwesen in der Nähe von Palmyra?«
    »Stimmt genau.« Prather kaute auf einer Wurst, während Jake Kaffee trank.
    Jake ließ einen Augenblick verstreichen, ehe er wieder sprach. »Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass Seth Hubbard etwas zugestoßen ist, sonst hätten Sie nicht das Perfekt verwendet.«
    »Was habe ich?«, fragte Prather. Der Deputy hatte die unangenehme Angewohnheit, Fangfragen in die Runde zu streuen und dann schweigend abzuwarten. Er wusste meist selbst schon Bescheid, war aber immer neugierig, ob sonst noch jemand etwas beizutragen hatte.
    »Sie haben in der Vergangenheit gesprochen. Sie haben mich gefragt, ob ich ihn gekannt habe, nicht, ob ich ihn kenne. Letzteres würde bedeuten, dass er noch lebt. Stimmt’s?«
    »Schätze schon.«
    »Also, was ist passiert?«
    Andy Furr, Automechaniker bei Chevrolet, sagte laut: »Hat sich gestern umgebracht. Man hat ihn gefunden, wie er am Baum hing.«
    »Mit Abschiedsbrief und allem«, fügte Dell hinzu, die eben mit der Kaffeekanne vorbeikam. Das Café war schon seit einer Stunde geöffnet, Dell wusste also mit Sicherheit alles, was über Seth Hubbards Ableben bislang bekannt geworden war.
    »Und was stand da drin?«, fragte Jake ruhig.
    »Darf ich Ihnen nicht verraten, Schätzchen«, flötete sie. »Das geht nur Seth und mich was an.«
    »Du hast Seth doch gar nicht gekannt«, sagte Prather.
    Dell war als mannstoll bekannt und hatte außerdem eine scharfe Zunge. »Ich habe Seth geliebt. Bestimmt mehr als einmal. Wie oft, weiß ich leider nicht mehr.«
    »Da waren ja auch so viele andere«, bemerkte Prather.
    »Stimmt, aber du kommst nie darauf, wie viele, alter Junge.«
    »Sicher, dass du das selbst noch weißt?«, konterte Prather und erntete Gelächter.
    »Wo war der Abschiedsbrief?«, fragte Jake, um zum Thema zurückzukehren.
    Prather stopfte sich einen Riesenbissen Pfannkuchen in den Mund, kaute eine Weile und erwiderte dann: »Auf dem Küchen tisch. Jetzt hat ihn Ozzie. Der ermittelt noch, es gibt aber nicht viel dazu zu sagen. Anscheinend ist Hubbard wie immer in die Kirche gegangen, dann nach Hause gefahren, um Leiter und Seil zu holen, und hat es dann getan. Einer seiner Arbeiter hat ihn gegen zwei Uhr nachmittags gefunden, wie er im Regen baumelte. Im Sonntagsanzug.«
    Das alles klang spannend, bizarr und tragisch, doch Jake fiel es schwer, für jemanden, den er nie kennengelernt hatte, Mitgefühl zu empfinden.
    »War er reich?«, wollte Andy Furr wissen.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Prather. »Ich schätze, Ozzie hat ihn gekannt, aber er hat nicht viel gesagt.«
    Dell füllte ihre Becher nach und hielt dann inne. Eine Hand in die Hüfte gestützt, sagte sie: »Also, ich hab ihn nicht persönlich gekannt. Aber meine Cousine kennt seine erste Frau, er war ja mindestens zweimal verheiratet, und nach dem, was die sagt, hat er Land und Geld. Sie meinte, er hätte sich immer gern be deckt gehalten, hat wohl niemandem getraut. Sie hat auch gesagt, dass er ein verdammter Mistkerl war, aber nach einer Scheidung reden alle so.«
    »Du kennst dich da ja aus«, ergänzte Prather.
    »Du sagst es, mein Lieber. Gegen mich bist du ein Waisenknabe.«
    »Gibt es einen Letzten Willen?«, fragte Jake. Nachlassangelegenheiten waren nicht unbedingt sein Ding, doch wenn es um eine größere Erbschaft ging, sprang ein anständiges Honorar her aus. Es war viel Papierkram, verbunden mit ein paar Gerichtsterminen, nicht kompliziert und nicht besonders aufwendig. Spätestens um neun Uhr würden die Anwälte der Stadt auf der Lauer liegen, um herauszufinden, was es mit Seth Hubbards Letztem Willen auf sich hatte.
    »Weiß man noch nicht«, sagte Prather.
    »Testamente sind nicht öffentlich, oder, Jake?«, fragte Bill West, der in einer Schuhfabrik im Norden der Stadt als Elektriker arbeitete.
    »Erst nach dem Tod. Man kann seinen Letzten Willen bis zum allerletzten Moment ändern. Außerdem will mancher vielleicht nicht, dass alle Welt weiß, was darin steht, bevor er tot ist.
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