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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: John Grisham
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sehr bewegend, aber er bezweifelte, dass es zulässig war. Die vier Anwälte hatten gemeinsam mit Willie Traynor und anderen Experten am Freitag bis in die Nacht hinein mit Bier und Würstchen gefeiert und debattiert, während die Damen bei Harry Rex am Pool saßen, Wein tranken und sich mit Portia unterhielten.
    Obwohl die Hubbard-Sache Jake finanziell gerettet hatte, wollte er damit abschließen. Er hatte keine Lust, den Nachlass noch jahrelang Monat für Monat um sein Honorar zu erleich tern. Irgendwann würde er sich als Schmarotzer fühlen. Er hatte soeben einen großen Prozess gewonnen und wollte das gern noch einmal erleben.
    An jenem Morgen erwähnte niemand in der First Presbyterian Church das Verfahren, und Jake war dankbar dafür. Später, als alle unter zwei riesigen Eichen freundliche Worte wechsel ten, während sie sich zentimeterweise dem Parkplatz näher ten, begrüßte Richter Atlee Carla und Hanna und äußerte seine Freude über den schönen Frühlingstag. Er ging neben Jake den Gehweg entlang.
    »Können Sie heute Nachmittag gegen fünf vorbeikommen?«, fragte er, als die anderen außer Hörweite waren. »Es gibt da etwas, was ich mit Ihnen besprechen möchte.«
    »Natürlich«, erwiderte Jake.
    »Und könnten Sie Portia mitbringen? Ich möchte wissen, was sie davon hält.«
    »Ich denke schon.«
    Sie saßen am Esstisch unter einem ächzenden Ventilator, der nicht gegen die schwüle Hitze ankam. Draußen war es viel kühler – die Veranda wäre nett gewesen –, aber der Richter bevorzugte aus irgendeinem Grund das Esszimmer. Er hatte eine Kanne Kaffee und eine Platte mit billigem Gebäck aus dem Supermarkt bereitgestellt. Jake trank einen Schluck von dem schwachen, ekel haften Gebräu und ließ den Rest stehen.
    Portia nahm gar nichts zu sich. Sie war nervös und konnte ihre Neugier nicht unterdrücken. Dies war nicht ihr Teil der Stadt. Ihre Mutter mochte ein paar schöne Häuser kennen, weil sie dort geputzt hatte, aber sie war nie in einem zu Gast gewesen.
    Richter Atlee saß am Kopfende des Tisches mit Jake zu seiner Rechten und Portia zu seiner Linken. Nach ein paar verlegenen Einleitungsfloskeln verkündete er, als säße er am Richtertisch und blickte auf eine Horde erwartungsvoller Anwälte herab: »Ich will, dass dieser Streit durch einen Vergleich beigelegt wird. In den nächsten beiden Jahren wird niemand an das Geld herankommen, solange das Revisionsverfahren läuft. Hunderte von Stunden werden dafür aufgewendet werden. Die anfechtenden Parteien werden überzeugend für eine Aufhebung des Urteils argumentieren, und ich verstehe, warum. Ich habe das Video von Ancil Hubbard zugelassen, weil es in diesem Augenblick fair war. Die Geschworenen – und wir alle – mussten die Geschichte hören. Sie erklärt Seth Hubbards Motive. Es wird überzeugend vorgetragen werden, dass das prozessrechtlich ein Fehler war. Aus egoistischen Gründen möchte ich nicht, dass mein Urteil aufgehoben wird, aber meine Gefühle spielen keine Rolle.«
    Das glaubst du doch selber nicht, dachte Jake mit einem Seitenblick auf Portia. Sie fixierte wie erstarrt den Tisch.
    »Nehmen wir mal einen Augenblick lang an, dass die Sache neu verhandelt wird. Beim nächsten Mal wird Sie die Pickering- Affäre nicht mehr überraschend treffen. Sie werden auf Julina Kidd vorbereitet sein. Und vor allem werden Sie Ancil Hubbard als Betroffenen und lebenden Zeugen dabeihaben. Oder – falls er im Gefängnis sitzt – Sie können zumindest eine ordnungs gemäß protokollierte Zeugenaussage aufnehmen. Auf jeden Fall werden Sie beim nächsten Mal deutlich bessere Argumente haben, Mr. Brigance. Stimmen Sie mir da zu?«
    »Ja, natürlich.«
    »Sie werden den Prozess gewinnen, weil Sie den Prozess gewinnen sollten. Das ist genau der Grund, warum ich Ancil Hubbards Video zugelassen habe. Es war richtig und fair, das zu tun. Können Sie mir folgen, Portia?«
    »Ja.«
    »So, wie regeln wir nun diese Sache und verhindern eine Revision, damit wir wieder in Frieden leben können?«
    Jake wusste, dass der Richter die Antwort kannte und eigentlich keine Kommentare wünschte.
    »Ich denke seit Freitagnachmittag an nichts anderes«, fuhr Atlee fort. »Seth Hubbards Testament war ein verzweifelter Versuch, ein entsetzliches Unrecht in letzter Minute wiedergutzumachen. Dadurch dass er Ihrer Mutter so viel hinterließ, wollte er eigentlich Ihren Urgroßvater und alle Rinds entschädigen. Stimmen Sie mir zu?«
    Gib ihm recht, verdammt noch
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