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Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen

Titel: Familienscheiße: Wir hassen sie, wir lieben sie - Geschichten über die, die uns am nächsten stehen
Autoren: Henriette Frädrich
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Vorwort
      Blut ist dicker als Wasser. Sagt man. Und nichts ist schöner, als eine intakte Familie zu haben. Wir alle sehnen uns nach der perfekten Rama-Werbung-Bilderbuchfamilie, doch gibt es diese leider nicht. In jeder Familie liegt die eine oder andere Leiche im Keller, in jeder Familie gibt es unausgesprochene Konflikte, Geheimnisse, Machtspielchen. Obwohl uns niemand so nahe steht wie die eigene Familie, fällt kaum etwas schwerer, als diese Konflikte innerhalb der Familie auszuhalten und auszutragen.
    Sich von den eigenen Eltern loslösen oder gar lossagen? Schier unmöglich. Und wenn doch, quält das schlechte Gewissen, ein Leben lang. Das unsichtbare Familien-Band verbindet alle Familienmitglieder, für immer. Ob sie nun wollen oder nicht.  Würden wir uns eine andere Familie aussuchen, wenn wir die Wahl hätten? Und wenn ja, welche, und was wäre dann wirklich besser?  Fakt ist, in jeder nach außen wirkenden glücklichen Familie stecken Probleme und Streit. Macht man sich das bewusst, fällt es einem vielleicht leichter, die eigene Chaos-Familie zu akzeptieren und vielleicht auch ein kleines bisschen zu mögen.
      Ich habe Familien-Geschichten von verschiedensten Menschen gesammelt. Es sind die Art Geschichten, von Situationen, Momenten, Erlebnissen, die wir nie vergessen. Die wir alle mit uns rumtragen. Über die wir nie reden. Oder über die wir besonders oft reden. Geschichten, die uns prägen. Die unsere Ängste verstärken, die unsere Ängste nehmen. Die uns stark machen, die uns schwächen. Es sind Protokolle von Verletzungen, von Konflikten, von Ohnmächtigkeiten, von Schuldzuweisungen, von Unausgesprochenem, von unterdrückten  Gefühlen, von Ängsten, von Abrechnungen, von emotionalen Verpflichtungen, von falschen Loyalitäten. Es geht um die ganze Palette der familiären Dämonen, die uns unser Leben lang begleiten.
      Die Geschichten schildern, was diese Menschen erlebt haben, ohne zu werten und ohne Lösungsansätze zu bieten. Es sind Protokolle. Wir alle haben solche Geschichten so oder so ähnlich selbst schon erlebt, wir alle werden uns hier und da wieder erkennen. Die Geschichten werden uns teilweise vielleicht zum Weinen bringen, andere Geschichten wiederum zum Lachen oder zum Schmunzeln.
      Wir alle haben diese Geschichten, die wir nicht vergessen, und wir alle haben diese Wunden. Es sind Geschichten, die wir nie wirklich verdaut haben, die uns beschäftigen, die uns schwer im Magen liegen. Aber es sind auch Geschichten, die uns wärmen, Erinnerungen, die uns jedes Mal aufs Neue ein Lächeln ins Gesicht zaubern. 
     Das Buch ist ein Plädoyer für die Familie -  und all das Chaos, das dazu gehört. Das Buch soll all denen helfen, die denken, sie würden ihre Familie gern gegen eine andere, bessere austauschen. Denn das Buch zeigt, dass es eine "bessere" nicht gibt. Denn an jedem Familienbesen steckt Dreck. 
    Jeder muss lernen, auf seine ganz eigene Art und Weise mit den Familiendämonen klar zu kommen. Einen allgemeingültigen Rat gibt es hier, leider, nicht. Sich an die Geschichten zu erinnern, und heraus zu finden, was diese mit einem gemacht haben, ist aber ein Anfang. 
     
    Henriette Frädrich
    Winter 2014

Kleine Schwester schreiend im Schnee
    Die Feige
    Anna-Lena, 32, Hausfrau
     
    Noch heute quält mich mein schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke, was im Winter vor ca. 20 Jahren passiert war. Meine eigene Feigheit ist mir ein Graus, doch was kann man von einem zwölfjährigen Mädchen in dieser Hinsicht erwarten? Darf man von einem zwölfjährigen Mädchen Courage gegenüber einem tyrannischen Familienmitglied erwarten? Oder ist es nur ein Zeichen von Feigheit, dass ich mich gerade damit versuche, rauszureden? 
    Meine kleine Schwester und ich, damals waren wir vier und elf Jahre alt, wurden von meinen Eltern in den Urlaub geschickt. Zusammen mit unseren Großeltern. An und für sich eine schöne Sache, mit und bei den Großeltern die Ferien zu verbringen, aber unsere Großeltern waren nie die Rama-Werbung-Klischee-Großeltern. Sie waren keine bösen Menschen, nein, ganz und gar nicht, aber das warme, herzliche und liebevolle, wie man es aus Schnulzromanen so kennt, war nie ihre Stärke. Sie waren eher pragmatisch veranlagt und distanziert. Zudem waren sie recht streng, also nichts von wegen „bei Oma und Opa ist alles erlaubt“. Was aber das Zusammensein mit den Großeltern besonders kompliziert machte, war, dass sie ihre eigene Sicht der Dinge hatten und nie auch
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