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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Autoren: Leila Meacham
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Junge?«
    »Nein, Sir, ich …«
    »Tja, dann wirst du auf den nächsten Zug warten müssen. Der hier ist bis Houston voll belegt.«
    Amos hatte das hochrote Gesicht des Jungen, dessen schwerer Atem Wolken vor seinem Mund bildete, betrachtet und die Verzweiflung eines Teenagers erkannt, der von zu
Hause wegrannte. Er hat zu viel dabei , hatte er gedacht, sich an seinen eigenen erfolglosen Ausreißversuch mit fünfzehn erinnert und dem Burschen sein Ticket gegeben. »Hier, nimm meins«, hatte er gesagt. »Ich warte auf den nächsten Zug.«
    Der Junge, der siebzehnjährige Neffe von Mary Toliver DuMont, wie sich später herausstellte, war hastig eingestiegen und hatte ihm aus dem anfahrenden Zug zugewinkt. Später sollte er nie zu mehr als einem Besuch nach Howbutker zurückkehren. Dafür blieb Amos in der Stadt. Er hatte sich mit seinem Matchbeutel in den Ort aufgemacht, um einmal dort zu übernachten, am nächsten Tag jedoch den Morgenzug abfahren lassen, ohne mitzukommen. In den folgenden Jahren hatte er oft über die Ironie des Schicksals nachgedacht, dass Williams Flucht aus Howbutker sein eigenes Entree gewesen war, und keine Sekunde seines Lebens dort bereut. Bis jetzt.
    Er trank einen Schluck Scotch, der in seiner Kehle brannte wie Feuer. Verdammt, Mary, welcher Teufel hat dich nur geritten, etwas so Bedauerliches zu tun? Er fuhr sich mit der Hand über die Glatze. Was um Himmels willen war ihm entgangen, das ihren Beschluss erklären, vielleicht auch entschuldigen konnte? Er hatte geglaubt, ihre wie auch Ollie DuMonts und Percy Warwicks Geschichte in- und auswendig zu kennen. Was er nicht aus Büchern wusste, hatten sie ihm selbst erzählt. Natürlich war er zu spät nach Howbutker gekommen, um ihre Anfänge selbst mitzuerleben, aber er hatte sich bemüht, die Lücken zu füllen. Und er war auf rein gar nichts gestoßen – keine Gerüchte, Zeitungsartikel, Tagebücher oder auch Erzählungen von Menschen, die ihnen nahestanden –, das hätte erhellen können, wieso Mary Rachels Lebenstraum zerstörte und ihr nun nahm, was ihr von Rechts wegen zustand.
    Ein plötzlicher Impuls ließ ihn einen Band aus dem Bücherregal holen und zum Schreibtisch bringen. Konnte sich
des Rätsels Lösung darin verbergen? Er hatte die Geschichte der Howbutker-Gründungsfamilien das letzte Mal an jenem Oktobermorgen gelesen, an dem er William, dem adoptierten Sohn von Mary DuMonts verstorbenem Bruder, zur Flucht verhalf. Weil ihm nur zu gut im Gedächtnis geblieben war, wie schlecht man ihn selbst nach seiner Rückkehr zu seinen Eltern behandelt hatte, war er in die Bibliothek gegangen, um sich über die DuMonts zu informieren und sich darüber klar zu werden, ob er die Behörden über den Verbleib des Teenagers in Kenntnis setzen sollte. Die Bibliothekarin hatte ihm eine Ausgabe des Buchs gegeben, das er nun in der Hand hielt, verfasst von Jessica Toliver, Marys Urgroßmutter. Vielleicht würden sich ihm ja jetzt durch die Lektüre Dinge erschließen, die ihm vierzig Jahre zuvor entgangen waren. Der Titel des Buchs lautete Rosen .
    Die Schilderung begann mit der Einwanderung von Silas William Toliver und Jeremy Matthew Warwick in Texas im Herbst 1836. Als jüngste Söhne von zweien der bekanntesten Pflanzerfamilien South Carolinas hatten sie nur geringe Aussichten, die Anwesen ihrer Väter zu übernehmen, und machten sich deshalb miteinander auf, eigene Plantagen in einer fruchtbaren Gegend im östlichen Teil der neuen Republik Texas aufzubauen, von der sie gehört hatten. Beide waren blaublütige Nachfahren des englischen Königshauses, Angehörige der verfemten Häuser von Lancaster und York. Mitte des siebzehnten Jahrhunderts siedelten sich Nachkommen dieser im Rosenkrieg verfeindeten Familien zufällig auf nebeneinanderliegenden Grundstücken in der Neuen Welt an, in der Nähe des späteren Charleston, das sie 1670 mitbegründeten. Aufgrund ihrer gegenseitigen Abhängigkeit begruben sie das Kriegsbeil und behielten lediglich die Symbole ihrer Treue zu den englischen Ursprüngen, die Rosen, bei. Die Warwicks, Nachfahren des Hauses York, pflanzten
ausschließlich weiße Rosen in ihren Gärten, die Tolivers als Abkommen der Lancasters in den ihren nur rote.
    1830 war Baumwolle die Haupteinnahmequelle im Süden, und Silas William Toliver und Jeremy Matthew Warwick sehnten sich nach eigenen Plantagen und einem Ort, der die edelsten Ideale ihrer englischen und südstaatlichen Kultur repräsentierte. Sie wurden begleitet von
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