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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Autoren: Leila Meacham
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Denkmalschutz hinterlässt, ist der schlimmste Affront überhaupt. Du weißt, dass Rachel es seit jeher als ihr Zuhause erachtet. Sie wollte den Rest ihres Lebens darin verbringen.«
    »Genau deshalb nehme ich es ihr weg«, antwortete Mary ungerührt, kerzengerade auf ihrem Stuhl sitzend, majestätisch die Hand auf dem Griff ihres Gehstocks. »Ich möchte, dass sie sich anderswo ihr eigenes Zuhause aufbaut, von Grund auf neu anfängt. Sie soll nicht hierbleiben und ihr Leben dem Toliver-Mythos opfern.«
    »Das begreife ich nicht.« Amos breitete hilflos die Hände aus. »Ich dachte, darauf hättest du sie all die Jahre vorbereitet.«
    »Das war ein Fehler, ein sehr egoistischer Fehler. Zum Glück habe ich ihn erkannt, bevor es zu spät war, und besitze die Weisheit, ihn zu korrigieren.« Sie winkte ab. »Erspar uns weitere Versuche, mich dazu zu bringen, dass ich dir alles erkläre, Amos. Ich weiß, die Sache erscheint dir rätselhaft, aber bitte vertrau mir. Meine Beweggründe könnten nicht aufrichtiger sein.«
    Amos wechselte die Taktik. »Tust du es am Ende aus der irrigen Überzeugung, dass du ihrem Vater William noch etwas schuldest?«
    »Aber nein!« Ihre smaragdgrünen Toliver-Augen, die sie zusammen mit dem ehemals schwarzen Haar und dem Kinngrübchen von der väterlichen Seite der Familie geerbt hatte, funkelten. »Obwohl mein Neffe es vielleicht so sehen wird – oder besser gesagt seine Frau. Ihrer Ansicht nach tue ich nur, was recht und billig ist, indem ich William das gebe, was ihm seit jeher zusteht.« Sie schnaubte verächtlich. »Soll Alice Toliver doch glauben, dass ich alles verkauft habe, weil ich meine, ihrem Mann noch etwas zu schulden. Aber ich will nicht ihm nützen, sondern seiner Tochter. Irgendwann wird er das begreifen.« Sie schwieg eine Weile nachdenklich und fügte dann in weniger selbstbewusstem Tonfall hinzu: »Könnte ich mir bei Rachel doch genauso sicher sein …«
    »Mary …« Amos bemühte sich, überzeugend zu klingen. »Rachel ist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie du. Denkst du, du hättest es verstanden, wenn dein Vater dir dein Erbe genommen hätte – die Plantage, das Haus, die Stadt, die ihre Gründung eurer Familie verdankt –, egal, wie gerechtfertigt seine Motive auch gewesen wären?«
    Ihre Kiefer begannen zu mahlen. »Nein, aber ich wünschte, er hätte es getan und mir Somerset nicht vermacht.«
    Amos sah sie mit offenem Mund an. »Warum, Mary? Du hattest doch ein wunderbares Leben, wie du es nach allgemeiner
Ansicht auch Rachel ermöglichen willst, damit sie das Vermächtnis deiner Familie fortführen kann. Dieses Kodizill …«, er wischte mit dem Handrücken über das Dokument, »… widerspricht allem, was du meiner und ihrer Meinung nach für sie erhoffst.«
    Mary sank in sich zusammen und legte den Gehstock quer über ihre Oberschenkel. »Ach, Amos, das ist eine lange Geschichte, viel zu lang, um sie hier auszubreiten. Percy wird sie dir eines Tages erklären müssen.«
    »Was, Mary? Was gibt es da zu erklären?« Warum eines Tages und warum Percy?
    Die Falten um ihre Augen und ihren Mund wirkten plötzlich tiefer und ihre olivfarbene Haut blasser.
    »Was für eine Geschichte, Mary? Ich habe alles gelesen, was über die Tolivers, Warwicks und DuMonts je notiert wurde, ganz zu schweigen davon, dass ich seit vierzig Jahren in eurer Mitte lebe. Ich kenne euch.«
    Mary senkte müde den Blick. Als sie ihn wieder hob, sagte sie sanft: »Amos, mein Lieber, du bist in unser Leben getreten, als unsere Geschichte bereits geschrieben war. Du kennst uns nur in der Zeit, in der unsere unklugen Entscheidungen schon gefällt waren und wir mit den Folgen leben mussten. Ich möchte Rachel davor bewahren, meine Fehler mitsamt ihren unausweichlichen Konsequenzen zu wiederholen. Ich will sie vom Fluch der Tolivers befreien.«
    »Vom Fluch der Tolivers?« Amos blinzelte bestürzt. Wie fremd das aus ihrem Mund klang! Wieder fragte er sich, ob das Alter womöglich ihre Denkfähigkeit zu beeinträchtigen begann. »Ich weiß nichts von einem solchen Fluch.«
    »Siehst du«, sagte sie mit dem für sie so typischen Lächeln, bei dem sie lediglich die Oberlippe ein wenig anhob, so dass ihre Zähne zum Vorschein kamen, die, anders als bei ihm und anderen Altersgenossen, nicht gelb geworden waren.
    Doch so leicht ließ er sich nicht abwimmeln. »Was meinst du mit den Konsequenzen? Du warst Besitzerin eines Baumwollimperiums, das sich über das ganze Land erstreckte. Deinem Mann
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