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Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Kevin Emerson
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aber schon ein wenig älter. Andererseits mochte mich mein Gedächtnis auch trügen – in meiner Erinnerung war Mom immer so alt wie vor acht Jahren, als sie uns verließ. Heute sähe sie vielleicht ganz anders aus, wo immer sie auch war. Sie hatte es uns nie gesagt. Eine Weile hatte sie noch Briefe geschickt, doch auch die hatten nie den Ort oder das Datum verraten. Und dann, vor etwa drei Jahren, hatte sie auch aufgehört zu schreiben.
    »Okay, das war’s dann. Wenn du mir versprichst, die Finger von den Verletzungen zu lassen, kann ich dich entlassen.«
    »Ich kann nicht noch bleiben?« Vor meinem geistigen Auge sah ich schon meine Zimmergenossen, wie sie mich wie die Raubtiere von ihren Betten aus angrinsten und sich darauf freuten, die abgesoffene Schildkröte zu schikanieren.
    Dr. Maria richtete wieder ihr Haar und seufzte. »Tut mir leid, Owen. Deine Kameraden müssen ja ein ganz schön übler Haufen sein.«
    »Manchmal schon.«
    »Die ersten paar Tage sind immer die schwierigsten. Nächsten Monat kann das schon ganz anders aussehen. Du würdest dich wundern, wer am Ende alles miteinander befreundet ist.« Sie tippte auf ihr Pad. »Ach, und der Direktor würde dich noch gerne sprechen, wenn du so weit bist. Am Ende des Flurs. Dann bis morgen, okay?« Sie lächelte mir zu und ging.
    »Okay.«
    Jemand hatte mir meine Kleider gebracht, also stand ich auf und zog mich um. Meine Brust und meine Rippen schmerzten bei jedem Atemzug. Meine rechte Seite, wo ich den Krampf gehabt hatte, tat immer noch weh. Ich fuhr mit dem Finger die vier Zentimeter lange rosa Narbe unterhalb der Hüfte nach, wo ich meine Leistenoperation gehabt hatte. Die Narbe war glatt und leicht erhaben.
    Aus einem Spiegel in der Ecke blickte mir mein reiz loses Selbst entgegen: mager, das Produkt von Lebensmittelrationen, so anders als die Menschen hier in Eden, aber auch nicht wie die Kinder, die man in den Camps an der Grenze der AKF sah. Ich mochte nicht viel Muskeln haben, und Rippen und Schlüsselbeine zeichneten sich schon deutlich ab, aber man sah auch nicht jede Kante an Schultern und Hüften. Dank meines Vaters, der für die geothermischen Werke des Hubs arbeitete, hatte ich immer genug zu essen gehabt. Schuld an meiner Figur waren eher seine Gene – und dass man ordentliche Brustmuskeln vor allem von genau den Sachen bekam, in denen ich nie sonderlich gut gewesen war.
    Dad meinte immer, ich könne ja das Fitnessstudio der Schule benutzen oder Höhlentauchen gehen. Ich wusste, er meinte es nur gut, und wahrscheinlich hatte er auch recht damit. Ich hätte wohl schon ein paar Muskeln aufbauen können, wenn ich trainiert hätte, aber es schien immer so endlos zu dauern – als müsste man schon in Form sein, um überhaupt in Form zu kommen. Und nie hatte ich mich mehr außer Form gefühlt als an jenem Tag, an dem jeder an der Schule, ob er wollte oder nicht, in einen dieser hautengen Neoprenanzüge gesteckt wurde. Ich hasste es, so exponiert zu sein. Heute morgen in Badehosen war es fast genauso schlimm gewesen. Ich könnte ebenso gut zu einer anderen Spezies als Evan gehören.
    Erst zog ich Jeans und Turnschuhe an, dann schlüpfte ich vorsichtig in mein T-Shirt. Der Verband war fast wie eine Halskrause. Schon eine kurze Berührung genügte, den Juckreiz wieder auszulösen. Unwillkürlich begannen meine Fingernägel am Rand der Bandage zu scharren, begierig zu kratzen. Sie hat doch gesagt, lass das bleiben. Ich nahm meine Finger weg – Blut an den Spitzen. Ich wischte sie am Nachthemd ab, wodurch ich es verschmierte. Das Jucken wurde noch schlimmer, kam nun in pulsierenden Wellen. Ich gab mein Bestes, es zu ignorieren, und ging.
    Der Flur war in einem fröhlichen, pfirsichfarbenen Ton gestrichen. In regelmäßigen Abständen hingen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von bewaldeten Hügeln an der Wand. Ich zählte fünf weitere Türen, alle geöffnet. Aus einem der Zimmer hörte ich Dr. Marias Stimme, verstand aber nicht, was sie sagte. Zur Linken endete der Flur an einer schweren roten Tür mit einem elektronischen Schloss. Das Tastenfeld wirkte seltsam modern verglichen mit dem Rest des Flurs. Zur Rechten lag eine schon antik anmutende Holztür mit einer Milchglasscheibe. Ich trat hindurch und fand mich in einem dunklen Raum mit getäfelten Wänden wieder.
    Zu jeder Seite befand sich eine Tür mit einem ähnlichen Fenster. Eine führte nach draußen. Auf den anderen stand in goldener Schablonenschrift BÜRO und DIREKTOR . Die, durch die ich
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