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Die Erben des Terrors (German Edition)

Die Erben des Terrors (German Edition)

Titel: Die Erben des Terrors (German Edition)
Autoren: Johannes C. Kerner
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eintausend Meter anzeigten. Er betätigte die kleine, graue und abgenutzte Taste, auf der sich vor wenigen Jahren noch ein „Minus“ - Zeichen befunden hatte. Am linken Bildschirmrand, also im Westen seiner Position, zeigte sich ein kleines, ockerfarbenes Fleckchen, die Inselgruppe von Hawaii.
    Zwei, vielleicht drei Tage würde er noch brauchen, bis er irgendwo Land sehen würde. Vielleicht wäre es die Hauptinsel, Hawaii, sehr viel wahrscheinlicher aber wäre Maui. Der Wind stand gut, seine Passatbesegelung, ganz klassisch ein großer, bunter Spinnaker, war in den letzten Tagen nicht ein einziges Mal eingefallen, nein, es war nicht einmal nötig gewesen, irgendetwas am Trimm zu verändern. Die Karte zuckte ein bisschen, als das GPS die Position des Schiffes fixiert hatte. Ja, dachte Luschkow, noch etwas mehr als zwei Tage. Das Radar zeigte wie erwartet absolut gar nichts.
    Mit einem Blick auf die Batterieanzeige, die nach wochenlangem Segeln ohne jegliche Notwendigkeit, den Motor anzulassen erwartungsgemäß nur noch herzlich wenig anzeigte, schaltete er das Gerät wieder aus. Eine Welle, wah rscheinlich von einem Tankschiff oder übergroßen Transportschiff, das vor Tagen oder Wochen hier oder in einiger Entfernung vorbeigefahren war, ließ das Boot schwanken. Luschkow griff instinktiv nach dem erstbesten Gegenstand, den er fassen konnte, um sich festzuhalten. Er grinste, als er feststellte, dass es der Öffnungsgriff seines Barfaches war. Das hatte er eh öffnen wollen. Er schob ihn ein klein wenig zur Seite und nahm eine Flasche Aguardiente, ein Schnaps aus Anis und Zuckerrohr, an den er sich in den letzten vierzig Jahren, die er in Ecuador verbracht hatte, so sehr gewöhnt hatte. Interessanterweise hatte Aguardiente gegenüber Rum oder gar Wodka den Vorteil, auch enorm warm noch sehr lecker zu schmecken. Und während er zwar seinen Kühlkompressor jeden Tag eine knappe Stunde laufen ließ, so hatte er sich doch dafür entschieden, den Lebensmitteln den Vorrang zu lassen.
    Nach drei Wochen auf See war davon zwar nicht mehr viel übrig, aber ein paar Steaks von dem vor drei Tagen gefangenen Thunfisch, einige Bananen und Annehmlichkeiten wie Hartkäse, Salami und Räucherschinken füllten das kle ine Fach fast vollkommen aus. Und so kalt, wie man Wodka ordentlich trinken müsste, war der Kühlschrank sowieso nicht mehr – deutlich zu viel Strom. Weiterhin passte Wodka auch nicht in die subtropische Hitze Ecuadors. Wodka passte nur nach Russland.
    10 . Mai 1963
55° 45’ 38.35” Nord, 37° 37’41.37” Ost
KGB-Zentrale „Lubjanka“, Moskau, Sowjetunion
    Nikita Chruschtschow war vom Plan seiner Strategieberater begeistert. Mehr als zwei Dutzend heller Köpfe, die meisten von ihnen hochrangige, erfahrene Militärstrategen, aber auch einige angesehene Wissenschaftler, vor allem Ph ysiker, hatten nach dem Debakel in Kuba hunderte von Optionen durchdacht, mit dem Ziel, die Außenverteidigung der russischen Nation sicherzustellen. Die Idee, Raketen auf Kuba zu stationieren, war per se eine gute Idee gewesen. Eine zu Gute, als dass die Amerikaner sie toleriert hätten. Nicht nur wären die Nuklearraketen der Sowjetunion in weniger als 15 Minuten an fast jedem beliebigen Punkt der USA gewesen, nein, Chruschtschow hätte endlich eine glaubwürdige Zweitschlagswaffe. Und die hätte er jetzt wieder.
    Atombomben als Kielballast für Segelschiffe – auf so eine Idee muss man erst mal kommen. Zwölf Boote für die zwölf größten Städten der vereinigten Sta aten: Boston, New York, Philadelphia, Washington, Miami, New Orleans, Houston, San Diego, Los Angeles, San Francisco, Seattle, Anchorage. Chruschtschows einziges Problem war, dass es zwölf Boote waren. Mussten die blöden Amerikaner auch ausgerechnet zwölf Großstädte an der Küste haben? Zwölf, eine gerade Zahl. Dabei weiß doch jeder, dass gerade Zahlen Unglück bringen.
    Für einen Russen, besonders für einen abergläubischen wie Chruschtschow, w ären zwölf Boote so, wie wenn man als Chinese vierten Stock wohnen müsste – die Vier steht für den Tod, oder als würde man als Europäer ein Hotelzimmer im dreizehnten Stock erhalten. Nein, es musste ein Boot mehr werden – dann wären es zwar dreizehn Boote, aber die Dreizehn ist ja nur für Europäer und andere Westler eine Unglückszahl. Und wenn man es so bedenkt, es wäre nicht gerade ein Glücksfall für die Einwohner der dreizehn Städte, wenn irgendwo im Hafen eine der russischen Atombomben
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