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Die Erben des Terrors (German Edition)

Die Erben des Terrors (German Edition)

Titel: Die Erben des Terrors (German Edition)
Autoren: Johannes C. Kerner
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Jahre alte Swan, eines der edelsten und teuersten Segelboote überhaupt, war in einem erbärmlichen Zustand. Nicht so seine neunundvierzig Jahre alte, sechzehn Meter langen und perfekt glänzende Nikita – aber auch die Nikita sähe nicht mehr so gut aus, hätte er nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung, die er hatte. 10.4 Grad, dachte er nochmals. Sehr teuere 10.4 Grad.
    1 1. Februar 2013
12° 53’ 36.32” Nord, 61° 10’ 57.49” West
49 Meter vor der Nordküste von Mustique, St. Vincent und die Grenadinen
    Als Rybak am nächsten Morgen erwachte, konnte er sich nicht mehr erinnern, wie der letzte Tag vergangen war. Er sah in der Flasche Rum auf dem Salontisch, neben dem er eingeschlafen war, noch einen kleinen Schluck und nahm ihn sofort zu sich, während er das Radio gerade rechtzeitig einschaltete.
    „Und hier ist Anna Schein mit dem Wetterbericht“, kündigte die Nachrichte nsprecherin um vier Minuten nach sechs Uhr morgens an. Sie gab daraufhin, gutgelaunt wie immer, die Temperaturen der wichtigsten Städte auf diesem Planeten durch. „New York minus zehn, Paris minus zwei Grad. Moskau minus achtzehn, Peking null Grad. Tokyo plus drei, Sydney plus achtzehn. Werchneuralsk …“ – eine völlig unbedeutende Kleinstadt im Ural – „… 10.4 Grad. Und wir entschuldigen uns für eine Falschmeldung von gestern – in Nischnjaja Tura hat es gestern wie heute minus 10.4 Grad.“
    Alexander Rybak schaltete seinen Weltempfänger aus und starrte ihn fassungslos einige Minuten an. Aus reiner Routine drückte er dreimal auf einen Kontrollschalter, der daraufhin dreimal rot aufblinkte. Wenigstens ist das alles in Ordnung, dachte er sich. Er ging ins Vorschiff in die Duschtoilette. Im Spiegel sah er sein Gesicht. Für sein Alter, mittlerweile war Rybak vierundsiebzig Jahre alt, sah er ausgezeichnet aus. Er war nicht mehr so schlank und sportlich wie damals, 1963, als sich sein Leben von einer Sekunde auf die nächste so schlagartig verändert hatte. Aber er war in Würde gealtert. Die Seeluft hatte sein Gesicht auf die einzigartige Art, wie es nur Seeluft vermag, rau gemacht. In seinen vollen weißen Haaren klebte ein wenig Salz. Den Vollbart, den er zu tragen pflegte wie die meisten alten Seemänner, sollte er mal nachstutzen, war sein Eindruck.
    Fünf Minuten später nahm er ein Handtuch aus dem Schapp unter dem Waschbecken, trocknete sich ab, schaltete kurz die Bilgenpumpe ein, die das unter den Bodenbrettern schwappende Duschwasser nach draußen beförderte, und ging ins Cockpit. Es wurde Zeit für ein Frühstück, dachte er, und mit di esem Gedanken sah er auch schon Luis mit seinem Dinghy antuckern.
    Luis, nach wenigen Sekunden achtern am Schiff angekommen, begrüßte Rybak mit einem freundlich-fröhlichen „Good Morning, Sir Alexander“. Luis sprach all seine Kunden mit Sir an, das gefiel ihnen und er bekam eigentlich immer ein ordentliches Trinkgeld. Er bat dann, sich mit einer Hand aus dem kleinen Schlauchboot herauslehnend und an der kleinen Holzplattform am Heckspiegel der Nikita festhaltend, wie jeden Morgen um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen.
    In seiner Zeit bei der Marine hätte Rybak auch niemals ein Boot betreten, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen – vor allem bei einem Militärschiff riskiert e man dadurch, einfach erschossen zu werden. In der heutigen Zeit hingegen verkommen die guten Sitten der Seemannschaft immer mehr, und außer auf amerikanischen Booten darf sowieso niemand mehr erschossen werden, nur weil er einfach an Bord gekommen ist. Alleine aber für die Einhaltung guter alter Sitten hatte sich Luis das üppige Trinkgeld, was er regelmäßig erhielt, verdient.
    •
    Nach dem Saft einer frischen Kokosnuss, die Luis diesmal mit dem Frühstück gebracht hatte, war Alexander Rybak merklich weniger entsetzt als noch eine Stunde vorher, als er im Radio gehört hatte, dass Nischnjaja Tura doch kälter war als am Vortag angegeben. Vor neunundvierzig Jahren hatte er sein Heimatland verlassen mit einer Mission, von der er immer gehofft hatte, sie nie ausführen zu müssen. Jetzt aber hatte er es schon zweimal gehört, dass seine Mission befehligt wurde, und er musste handeln.
    Oder zumindest, überlegte er, musste er sich entscheiden, wie er handeln sollte. Den Befehl verweigern, das kam eigentlich nicht in Frage. Um seine Mission durchzuführen, war einiges zu tun. Aber er hatte viel Zeit, mehr als ein halbes Jahr, insofern sah er keinen Grund zur Eile. Eher sah er einen guten
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