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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge
Autoren: Michael Peinkofer
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überzugehen, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. Mehrmals kam die Spitze des Breitschwerts seiner Kehle gefährlich nahe, und wie aus weiter Ferne hörte Nick Elena aufschreien. Was ringsumher geschah, nahm er kaum noch wahr. Er war ganz auf seinen Gegner konzentriert, und so merkte er auch nicht, dass der Boden unter seinen Füßen bebte.
    Mit atemberaubender Schnelligkeit begegneten die Klingen einander, flirrender Stahl, der Funken schlug. Längst war das selbstsichere Lächeln aus Damians Gesicht gewichen; auch ihm war klar geworden, dass dies kein gewöhnlicher Kampf war und dass sein Gegner nicht zu jener Sorte gehörte, die er bereits zu Dutzenden erstochen und gemeuchelt hatte. In diesem Duell, das wurde auch Damian offenbar, erfüllte sich ein Schicksal, das fast zwei Jahrzehnte zuvor seinen Lauf genommen hatte.
    Plötzlich glaubte der Sohn des Piraten, in Nicks Deckung eine Schwachstelle auszumachen. Mit einem Triumphschrei setzte er vor, zielte die Klinge auf die Brust des Gegners – aber wie vonGeisterhand abgewehrt, ging der Stoß kläglich fehl. Jäh verlor Damian das Gleichgewicht und musste mit den Armen rudern, um auf den Beinen zu bleiben.
    Nick erging es nicht besser, und unter den Piraten, die um den Kampfplatz standen, breitete sich Unruhe aus. Trotz des Giftes, unter dessen Wirkung sie standen, konnten die Männer die Bedrohung spüren, und plötzlich schien die gespenstische Stille über Port Royal eine Ruhe vor dem Sturm zu sein.
    Dessen ungeachtet setzte Damian zu einem neuen Ausfall an. Nick sah die Klinge herankommen, so kraftvoll geführt, dass er den Säbel mit beiden Händen packen musste, um den Stoß abzuwehren. Die Attacke ging ins Leere, dafür gelang es Nick, seinem Gegner einen Fußtritt zu versetzen, der ihn straucheln ließ und zu Boden schickte.
    »Mach ihn fertig, Nick!«, ließ sich Nobody Jim vernehmen – aber noch ehe Nick dazu kam nachzusetzen, verlor er selbst das Gleichgewicht, stolperte über einen Stein und kam zu Fall.
    Rücklings landete er im Staub und schlug hart mit dem Kopf auf, war einige Herzschläge lang benommen. Während er nichts als dunkle Flecke sah, hörte er die warnenden Schreie Elenas und seiner Kameraden. Einem plötzlichen Drang gehorchend, wälzte er sich zur Seite – im letzten Augenblick.
    Noch im Herumrollen spürte er den sengend heißen Schmerz an seinem Hals, und durch blinzelnde Augenlider sah er die Silhouette seines Bruders über sich stehen, umleuchtet vom blutigen Rot des Morgenhimmels. Damian hatte die Benommenheit seines Gegners genutzt, um sich auf ihn zu stürzen und ihm mit einem raschen Stoß die Kehle zu durchbohren. Nick hatte es nur seinen Freunden und einem gnädigen Schicksal zu verdanken, dass dieses Vorhaben misslungen war.
    Immerhin hatte der Stoß noch seine Haut geritzt; Nickspürte warmes Blut seinen Hals hinabrinnen und den Kragen seines Hemdes tränken. Zudem hatte die Klinge das lederne Band durchtrennt, an dem Nick das Medaillon um den Hals trug.
    In hohem Bogen war das Schmuckstück davongeflogen und im Sand gelandet. Es blitzte im Morgenlicht, wodurch es Damians Aufmerksamkeit auf sich zog. Mit bösem Grinsen las der Pirat es vom Boden auf und öffnete es – und erstarrte, als er das Abbild der jungen Frau darin erblickte. Plötzlich war ihm, als erhelle das Licht des neuen Tages auch sein dunkles Herz, und zum ersten Mal nach undenklich langer Zeit spürte er wieder die wärmenden Strahlen der Sonne.
    »Mutter …«
    Damian wankte wie von einem schweren Hieb getroffen, und vor seinen blicklos starrenden Augen erschienen Bilder aus ferner Vergangenheit, Eindrücke von einer jungen Frau, die ihm das Leben geschenkt hatte und an die er sich kaum erinnerte. Dennoch waren da Gefühle, ein letzter Rest von zarter Empfindung; eine unbestimmte Sehnsucht nach etwas, das Damian nie bewusst gekannt hatte und wonach er sich in seinem Innersten sehnte.
    Er wankte und ging nieder unter vergessen geglaubten Empfindungen, die in sein Bewusstsein brachen und ihn wieder zu einem menschlichen Wesen machten. Wie aus einem Traum erwachend, betrachtete er das Breitschwert in seiner Hand: den in der Form eines Drachen gearbeiteten Knauf, die vom Blut des Bruders benetzte Klinge.
    Nick hatte die Kampfpause genutzt, um sich auf die Beine zu raffen. Den Säbel erhoben, erwartete er den nächsten Angriff, aber Damian schien die Lust am Kampf vergangen zu sein. Wie in Trance ließ er die Waffe sinken, sein Blick verriet maßlose
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