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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge
Autoren: Michael Peinkofer
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überfiel, reiche Beute machte. Nicht nur Waffen, Gold und Geschmeide fielen mir in die Hände, sondern auch eine junge Frau von einer Anmut und Schönheit, wie ich sie selten erlebt habe – Eure Mutter.«
    »Elender Bastard«, war alles, was Nick dazu einfiel.
    »Ich nahm sie also mit mir, und noch in der darauffolgenden Nacht nahm ich sie mit Gewalt. Wie ich feststellte, hatte sie mehr Feuer als jede andere Frau, die ich je gehabt hatte, also behielt ich sie. An jedem einzelnen Tag drohte sie damit, sich lieber das Leben zu nehmen, als mir zu Diensten zu sein, aber sie tat es nicht. Nach einer Weile erkannte ich, weshalb – sie trug ein Kind unter dem Herzen, und ihre Verantwortung gegenüber dem neuen Leben ließ sie ihren Stolz vergessen. Vielleicht trog sie sich auch mit der Hoffnung, dass es Graydons Kind sein möge, das sie unter dem Herzen trug. Jedenfalls brachte sie einen Sohn zur Welt.«
    »Und?«, fragte Nick bedrückt.
    Bricassart entblößte seine Raubfischzähne zu einem Grinsen. »Eure Mutter war sehr fürsorglich. Sie schenkte dem Jungen ihre ganze Liebe – bis an der Farbe seiner Haut und an der seiner Augen überdeutlich wurde, dass nicht Graydon, sondern ich der Vater war. Daraufhin begann sie das Kind zu meiden, und ich nahmmich des Jungen an, erzog ihn zu meinem Erben und Stellvertreter. Eines stürmischen Morgens war Jamilla plötzlich verschwunden – sie hatte sich ins Meer gestürzt, hatte den Gedanken, die Brut eines Piraten zur Welt gebracht zu haben, wohl nicht länger ertragen. Aber das ändert nichts daran, dass ihr beide Brüder seid, Söhne nicht desselben Vaters, aber derselben Mutter.«
    Nick spürte, wie seine Hände bebten. Er wollte nicht glauben, was er da hörte, sträubte sich mit aller Macht dagegen, der Halbbruder dieses Scheusals zu sein, das ihn um ein Haar getötet hatte. Dennoch zweifelte er nicht wirklich an Bricassarts Worten – so, als hätte ein Teil von ihm die Wahrheit schon immer geahnt.
    Er wandte sich zu Pater O’Rorke um, dem das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand.
    »Habt Ihr davon gewusst, Pater?«
    »Gewusst? Nein.« Der Ordensmann schüttelte den Kopf. »Aber ich habe es befürchtet.«
    »Warum habt Ihr mir dann nichts davon gesagt?«
    »Hätte es etwas geändert?«, fragte der Mönch.
    »Nein«, gab Nick zu, »vermutlich nicht.«
    Er war der verschollene Sohn von Lord Clifford, der letzte Nachkomme des Hauses Graydon und folglich völlig allein. Nun erfuhr er plötzlich, dass er einen Bruder hatte, aber anstatt ihn zu umarmen und diese unverhoffte Wendung zu feiern, war Nick im Begriff, sich ein Duell auf Leben und Tod mit ihm zu liefern. Grausame Ironie lag darin, aber auch eine gewisse Zwangsläufigkeit. Der alte Angus hatte Nick aufgetragen, sein Schicksal zu suchen – ohne Zweifel hatte er es gefunden.
    Damian schien von derlei Überlegungen weit entfernt zu sein. »Et quoi?« , rief er laut. »Wir haben also dieselbe Mutter, aber es scheint das Blut unserer Väter zu sein, das unser Geschick bestimmt. Komm zu mir, Bruder, und lass dich umarmen – der Stahlmeiner Klinge möchte dich in meiner Familie willkommen heißen.«
    »Wohl gesprochen, Sohn«, lobte der alte Bricassart. »Aber vielleicht sollte es diese Klinge sein – ich bin sicher, unser junger Master Graydon hätte sie gern zurück.«
    Damit schlug das Piratenoberhaupt seine Robe zurück und entblößte den Griff eines Breitschwerts, der einem sich windenden Drachen nachempfunden war. Pater O’Rorke ließ einen halblauten Schrei vernehmen. Bricassart zog die Waffe und warf sie seinem Sohn zu, der sie dankbar auffing.
    »Ich erwarte nicht, dass Ihr die Klinge wieder erkennt, Flanagan«, sagte der alte Pirat, »denn vermutlich wart Ihr damals noch zu jung, um Euch zu erinnern. Aber Ihr sollt wissen, dass diese Klinge stets eine Bedeutung für mich hatte, denn sie markiert den Tag, an dem ich meinen Erben zeugte. Es ist das Schwert Eures Vaters.«
    Erschrocken blickte Nick auf die Waffe. Tatsächlich – der Drache war derselbe, der auch auf die Innenseite des Medaillons graviert war und der den Bug der Seadragon geziert hatte. Ein Blick in Pater O’Rorkes entsetztes Gesicht sagte ihm, dass Bricassart die Wahrheit sprechen musste; dies war tatsächlich Lord Cliffords Schwert. Von allen Teufeleien, die der Pirat jemals ausgekocht hatte, schien dies die abscheulichste zu sein: Der Sohn seines einstigen Gegners sollte durch die Waffe des eigenen Vaters sterben.
    »Was ist, Bruder?«,
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