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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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solche Kämpfe unter seinen Rittern hatte der Markgraf seit langem unter Androhung härtester Strafe untersagt.
    Raimunds Kaplan war klug genug, um das Bedrohliche der Situation zu begreifen. Möglicherweise ritten diese Männer geradewegs in den Tod. Und was aus der geschundenen Witwe wurde, die er gestern aus der Not heraus sofort wieder verheiraten musste, war auch nicht abzusehen. So fiel die Morgenmesse trotz aller Eile länger aus als sonst. Inbrünstig bat der Kaplan den Allmächtigen, Seine schützende Hand über die Ritter zu halten, die bereit waren, für ihr Tun einzustehen, und über die bedauernswerte junge Frau. Er kannte Marthe seit Jahren von ihren häufigen Besuchen bei Raimund und Elisabeth und wusste einiges von dem, was sie schon durchlitten hatte.
    Dann sprachen sie gemeinsam ein inniges Gebet für Christians Seelenheil.
    Marthe schluchzte auf dabei, sie vermochte vor Kummer die Worte nicht zu Ende zu sprechen und hoffte nur, Gott würde ihre Gedanken und Bitten erkennen, ohne dass sie sie laut sagen musste.
    Innerlich aufgewühlt und beklommen, sah Lukas zu Marthe, die nun seine Frau war. Würde sie ihn am Ende doch hassen dafür, dass er sie angerührt hatte, so kurz nach all den schrecklichen Geschehnissen? Vielleicht hätte er sie doch unangetastet lassen sollen.
    Als er sie am Morgen genommen hatte, so behutsam es ihm nur möglich war, da hatte er nicht nur die Spuren von Ekkeharts Misshandlungen gesehen, sondern auch die noch schwach sichtbaren Narben auf ihrem Rücken von der Folter im Verlies des Bischofs. Wie viel würde sie noch ertragen können, bis sie ganz zusammenbrach?
    Doch andererseits mochte es gerade der Vollzug der Ehe sein, der auch ihr Leben rettete. Ins Kloster gezwungen, würde sie nicht lange überleben.
    Lukas hatte beschlossen, Marthe für den bevorstehenden Ritt zu sich aufs Pferd zu nehmen. Sie war noch nie eine besonders gute Reiterin gewesen, doch jetzt war sie unübersehbar zu schwach und zittrig, um sich allein im Sattel zu halten und dabei auch noch die Kontrolle über ein Pferd zu bewahren. Sie wog nicht viel, und von Raimund, der neben einer ergiebigen Schafzucht auch ein einträgliches Gestüt besaß, hatte er sich ein zweites Pferd zum Wechseln geben lassen.
    Jetzt jedoch fürchtete er, sie könnte – tränenüberströmt, wie sie nach dem Gebet war – vorwurfsvoll oder angewidert vor ihm zurückschrecken.
    Vorsichtig half er ihr auf und bestand darauf, dass sie beim kurzen Frühmahl nach der Morgenandacht etwas aß. Dann führte er sie zu seinem Braunen und verschränkte die Hände, um ihr in den Sattel zu helfen. Erleichtert sah er, dass sie keinen Einspruch erhob und seine Hilfe annahm.
    Sie hasste ihn also nicht nach dieser Nacht. Und als sie sich – zu Tode erschöpft und müde – an ihn lehnte, fühlte er sich für einen Moment sogar glücklich. Aber nur für einen Moment. Christian war tot, und möglicherweise würde sie alle noch heute das gleiche Schicksal ereilen.
     
    Raimund, Friedmar und die anderen Ritter hatten noch am Abend, nachdem sich Lukas und Marthe ins Brautgemach begeben hatten, Pläne erörtert, verworfen und neu erdacht, wie sie am besten vorgehen sollten.
    Otto musste von der Wartburg unterwegs nach Meißen sein und war wahrscheinlich nur noch ein paar Tagesritte vom Ziel entfernt.
    Auf dem Burgberg sollten sie ihn lieber nicht erwarten, dorthin würden nach Christians Begräbnis Albrecht und seine Männer mit dem Silberschatz geritten sein.
    Sie hatten beschlossen, zunächst zum Kloster Chemnitz zu reiten. Falls sie nicht schon unterwegs auf den Markgrafen und sein Gefolge trafen, würden sie erfahren, ob er dort haltgemacht hatte, und ihm dann nach- oder entgegenreiten. Sie alle hatten wenig Hoffnung, auf ihn und sein Gefolge zu treffen, bevor er von anderer Seite etwas von den Geschehnissen der letzten zwei Tage erfuhr, doch sie mussten es wenigstens versuchen.
     
    Ihnen war kein Glück beschieden. In Chemnitz erfuhren sie, dass der Markgraf schon weiter auf dem Weg nach Meißen sei. Die Männer verständigten sich kurz und beschlossen, auf schnellstem Weg zum Burgberg zu reiten.
    Sie holten den Markgrafen und seine Begleitung zehn Meilen vor Meißen ein, als diese gerade rasteten.
    Die Leibwachen, die unter Ekkeharts Kommando gestanden hatten, sprangen auf, zogen die Schwerter und bildeten einen Kreis um den Markgrafen, seine Frau und ihren jüngeren Sohn, der Hedwig zum Kaiser begleitet hatte.
    Auch als sie die Männer
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