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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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seiner Mark geben? Und vor allem nicht in seinem Silberdorf?
    Jetzt musste er dort für Ordnung sorgen, mit dem Berg- und dem Münzmeister die Listen durchgehen, um sicher zu sein, dass Albrecht sich nichts von dem vorzeitig abgelieferten Silber in die eigene Tasche gesteckt hatte, und einen neuen Burgvogt ernennen. Ganz abgesehen von dem Dilemma, wie er nun über ein Dutzend bewährter Ritter urteilen sollte. Sie hatten tatenlos zugesehen, wie sein Hauptmann der Wache niedergemacht wurde. Doch wenn stimmte, was sie berichteten, dann sollte er wohl am besten Gras über die Sache wachsen lassen und froh sein, dass sich dieser Lukas Christians Witwe angenommen hatte. Sonst müsste er beim nächsten Landding jene unangenehme Sache verhandeln, und dabei käme auch öffentlich zur Sprache, dass sich der Hauptmann seiner Leibwache – selbst wenn er inzwischen tot war – der Notzucht gegenüber einer Edelfreien schuldig gemacht hatte.
    Wie zur Bestätigung suchte sein Blick noch einmal nach der so schnell wiedervermählten Witwe. Selbst das bisschen unbedeckte Haut in ihrem Gesicht und an den Händen wies Spuren grober Gewalt auf, das war ihm schon auf den ersten Blick nicht entgangen.
    Hedwig hatte inzwischen ihren Hofdamen befohlen, Marthe aufzuhelfen und sich ihrer anzunehmen. Ihr Schicksal und Christians Tod hatten die Markgräfin schwer erschüttert.
    Aber Hedwig dachte weiter.
    Seit dem Tod ihres Geliebten war sie vor Trauer förmlich erstarrt. Sie hatte das Gefühl, gar nicht mehr richtig am Leben zu sein. Und in gewisser Weise war ihr Leben auch vorbei. Sie wusste, sie würde nie wieder geliebt werden und nie wieder lieben können.
    Erst die unglaublichen Geschehnisse nach der Gefangennahme ihres Gemahls durch den Thüringer Landgrafen weckten sie aus ihrer Erstarrung. Albrechts Verhalten hatte seinen Vater zutiefst empört. Und so machte es sich Hedwig zur Lebensaufgabe, um jeden Preis zu verhindern, dass ihr ältester Sohn je Markgraf von Meißen wurde.
    An Ottos Miene konnte sie erkennen, dass das gerade Gehörte sein Misstrauen gegenüber Albrecht entschieden verstärkt hatte.
     
    Der Ritt nach Meißen verlief schweigend, obwohl die Gruppe groß war. Jeder der Betroffenen hing seinen eigenen Gedanken nach: Marthe hatte die Furcht immer noch nicht abschütteln können, die sie zusammenbrechen ließ, als Otto Lukas’ Hinrichtung befohlen hatte.
    Jetzt saß der Freund – nein, mein Mann, korrigierte sie sich – in Ketten auf seinem Braunen und ritt einem ungewissen Schicksal entgegen. Sollte sie ihn auch noch verlieren?
    Bei der Ankunft auf dem Burgberg befahl Otto dem Gefangenen, den Rittern, die ihn begleitet hatten, und der Dame Marthe, in der Halle zu warten.
    Dann rief er seinen ältesten Sohn zu sich, zum Gespräch unter vier Augen. Weder Hedwig noch Dietrich ließ er daran teilnehmen. Er wusste, dass Albrecht seine Mutter und sei-nen Bruder hasste. Wie würde er sich verhalten, wenn er seinem Vater allein gegenüberstand und sich rechtfertigen sollte?
    Natürlich hatte Albrecht gesehen, wer mit dem Gefolge seines Vaters auf den Burgberg gekommen war. Christians bester Freund in Ketten – welch ein vielversprechender Anblick! Und den Alten würde er schon um den Finger wickeln, wie immer.
    »Wie schön, Vater, Euch gesund wiederzusehen!«, rief er und ging dem Zurückgekehrten mit ausgebreiteten Armen entgegen.
     
    Währenddessen warteten Lukas, Marthe und die Ritter in ihrer Begleitung voller Ungeduld in der Halle.
    »Wie geht es dir?«, fragte Marthe Lukas leise und mit beklommenem Blick auf die eng gebundenen, groben Fesseln, die seine Handgelenke wundgescheuert hatten.
    »Das sollte ich dich fragen«, erwiderte er ebenso leise. Vom kräftigen Rot hatten sich die sichtbaren Spuren, die Ekkeharts Brutalität auf ihrem Gesicht hinterlassen hatte, zu schillernden Blau- und Grüntönen verwandelt.
    Nicht ich kann jeden Moment hingerichtet werden, dachte Marthe bitter, aber sie sprach es nicht aus. Ihrer aller Leben hing davon ab, was der Markgraf entscheiden würde, nachdem er mit seinem hinterhältigen, verlogenen, grausamen Sohn gesprochen hatte.
    Die Unterredung zwischen Otto und Albrecht schien ewig zu dauern.
    Hedwig, die sich keinen Deut um den Gefangenenstatus der Anhänger Christians kümmerte, hatte veranlasst, dass ihnen reichlich zu essen und zu trinken gebracht wurde.
    Dietrich ließ sich derweil von denen, die dabei waren, Einzelheiten über den Überfall und das darauf folgende
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