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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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brauchten sie ihn als Kämpfer, als Mann von furchteinflößendem Ruf im Umgang mit dem Schwert.
    »Ich habe eine Bitte an Euch«, sagte der Kaiser nach einigem Schweigen, wobei er bewusst auf den Pluralis Majestatis verzichtete.
    Verwundert sah Dietrich auf.
    »Ihr müsst mich nicht bitten, Majestät«, sagte er und breitete die Arme aus. »Sagt, was Ihr wünscht, und ich werde tun, was in meiner Macht steht.«
    Aus dieser Nähe war nicht zu übersehen, dass Friedrichs rotblondes Haar, das die Lombarden zu dem Spottnamen »Barbarossa« veranlasst hatte, längst von weißen Strähnen durchzogen war. Der Kaiser musste inzwischen siebenundfünfzig Jahre alt sein, rechnete Dietrich in Gedanken nach. Und die letzten zweieinhalb Jahre waren bitter genug für ihn gewesen, um graue Haare zu bekommen: erst der Bruch mit seinem vermeintlich treuesten Freund und Gefolgsmann, Heinrich dem Löwen, dann die schmähliche Niederlage vor Mailand und als deren Folge der nun unausweichlich gewordene Fußfall vor Papst Alexander nach fast zwanzigjähriger Feindschaft. Der Papst hatte die Niederlage des Staufers weidlich genossen. Vor dem Dom San Marco in Venedig zögerte Alexander den Moment so lange hinaus, den reumütigen Kaiser zu seinen Füßen aufzuheben, dass er, Dietrich von Landsberg, tadelnd vor der versammelten Menschenmenge gerufen hatte, wieso der Papst das Ansehen des Kaisers dermaßen herabsetze.
    Was mochte Friedrich am meisten getroffen haben?, überlegte Dietrich. Und was würde er diesmal von ihm wollen? Etwas lag in der Luft … Verrat oder Krieg. Jedermann am Hof wartete, dass etwas Besonderes geschehen würde, etwas Unerhörtes.
    »Ich weiß, dass ich auf Eure Lehnstreue zählen kann«, antwortete der Rotbart. »Doch mir ist daran gelegen, dass Ihr diese Aufgabe aus freien Stücken übernehmt.«
    Wieder ließ der Kaiser Zeit verstreichen und überbrückte den Moment mit mehreren kräftigen Zügen aus dem goldenen Pokal.
    Dietrich wartete. Es ziemte sich nicht, einem Kaiser gegenüber Ungeduld an den Tag zu legen. Er ließ verstohlen einen Blick zur Kaiserin wandern, die ihn mit hoheitsvollem Lächeln ansah, während er eine schwache Spur ihres blumigen Duftes wahrzunehmen glaubte.
    Sie ist immer noch schön, dachte Dietrich. Es ist mehr als zwanzig Jahre her, dass Beatrix von Burgund – damals blutjung – den Stauferkaiser Friedrich geheiratet hatte. Wie schafft sie es, ihn immer noch an sich zu fesseln? Einen winzigen Moment lang stellte sich Dietrich das Kaiserpaar im Bett vor, doch schnell verbot er sich den respektlosen Gedanken.
    Beatrix war nicht nur schön, sondern auch klug. Sie hatte stets zu ihrem Gemahl gehalten, angesichts einer seiner drängendsten Sorgen sogar besondere Weitsicht bewiesen und sich dafür auch den Markgrafen der Ostmark zum heimlichen Verbündeten gemacht. Das war vor zweieinhalb Jahren gewesen, als sie mit Hilfe Dietrichs und weiterer Getreuer das Gerücht verbreiten ließ, der Kaiser sei vor Heinrich dem Löwen, seinem mächtigsten Vasallen und Herzog von Sachsen und Bayern, auf die Knie gefallen, um ihn um Unterstützung für den bevorstehenden Italienfeldzug zu bitten.
    In Wahrheit war nichts dergleichen geschehen – abgesehen davon, dass der Löwe dem Kaiser tatsächlich seine Hilfe versagt hatte. Als er sogar wagte, die reiche Silberstadt Goslar als Gegenleistung zu fordern, sah der Kaiser jedes Maß überschritten. Er ließ den machthungrigen Herzog fallen, den er bislang immer wieder gegen alle Widersacher verteidigt hatte. Vor Mailand, bei der Schlacht von Legnano, in der Dietrich mitgekämpft hatte, erlitt der Staufer ohne Heinrichs Truppen eine schmähliche Niederlage. Währenddessen nahmen die Feinde des Löwen den Kampf gegen den Herzog wieder auf, der nun kein Gehör mehr beim Kaiser fand. Beatrix’ klug ersonnene Intrige verhinderte eine Aussöhnung zwischen ihrem Gemahl und dem Welfenherzog.
    Der Kaiser hatte das Gerücht vom Kniefall zwar nie offiziell bestätigt, ihm aber auch nicht widersprochen. Mit feinen Fäden hatte Beatrix dafür gesorgt, dass es in seinem Beisein nie erwähnt wurde und er sich deshalb auch nicht dazu äußern musste.
    Der Kaiserin schienen ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen, denn ein Lächeln spielte um ihren Mund, während sie mit leicht geneigtem Kopf Dietrich ansah. Sofort zwang sich ihm erneut das verbotene Bild zweier nackter, verschlungener Leiber auf.
    Es musste die Nähe seiner Geliebten sein, die seine Gedanken auf
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