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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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beobachtete, wie Düsternis über Dietrichs Gesicht zog. Der einzige eheliche Sohn des Markgrafen war, kaum zum Ritter ernannt, bei einem Turnier zu Tode gekommen. Wenn der Landsberger starb, würde seine Linie erlöschen.
    Der Markgraf der Ostmark bemühte sich, die jäh auftauchenden Bilder niederzuringen. Doch vergeblich. Wieder sah er seinen tödlich von einem Lanzenstich getroffenen Sohn in seinem Blut auf der Erde liegen. Er räusperte sich, weil er fürchtete, seine Stimme könnte brechen, sollte der Kaiser jetzt von ihm eine Antwort erwarten.
    Aber Friedrich sprach selbst weiter. »Ihr habt mein Wort, dass die Ostmark nach Eurem Tod dem Hause Wettin erhalten bleibt.«
    Dietrich verneigte sich tief.
    Nach einem Moment des Schweigens sagte er gedankenversunken: »Eine hellsichtige junge Frau hat mir einmal vorhergesagt, dass ich dies tun würde.«
    Interessiert sah ihm der Kaiser ins Gesicht und beugte sich sogar leicht vor, während Beatrix in kaum verhohlener Aufregung nach dem Arm ihres Mannes griff. »Hat sie auch geweissagt, wie der Kampf ausgeht?«
    »Nein.« Noch einmal rief sich Dietrich Wort für Wort die Unterredung mit jener Marthe in Erinnerung. »Vielleicht, weil der Zweikampf nicht stattfindet …«
    Doch darauf werde ich mich nicht verlassen, dachte er. Und auch nicht auf mein Glück. Ich brauche Christian von Christiansdorf. Einen besseren Gegner für Übungskämpfe werde ich nicht finden.
    Als hätte der Kaiser seine Gedanken erraten, erteilte er Dietrich einen weiteren Auftrag, bevor er ihn fortschickte. »Stellt noch heute in einem Schaukampf öffentlich Euer Können mit dem Schwert unter Beweis. Einen geschickten Kämpfer findet Ihr sicher mühelos, ebenso einen Vorwand. Dass ausreichend Zuschauer dort sein werden und der Herzog von Sachsen und Bayern davon erfährt, dafür ist gesorgt.«
    Dietrich war wenig überrascht angesichts dieser Worte. Er hatte genügend Zeit bei Hofe verbracht, um zu wissen, dass hier nichts dem Zufall überlassen wurde. Stumm verneigte er sich und verließ mit Erlaubnis des Kaiserpaares den Raum.
     
    Auf dem Weg hinaus aus der prachtvollen Residenz des Magdeburger Erzbischofs Wichmann, der Gastgeber für diesen Hoftag und damit auch für das Kaiserpaar war, fühlte sich Dietrich von neugierigen Blicken verfolgt. Vertrauliche Unterredungen des Kaisers waren beileibe nichts Besonderes, doch diesmal schienen nicht nur die Höflinge, sondern auch die Dienerschaft darauf zu warten, dass etwas Außergewöhnliches geschah. So manchen, der sich ehrerbietig verneigte, wenn ihm der Markgraf der Ostmark entgegenkam, hörte er wispern, kaum dass er an ihm vorbeigegangen war.
    Mit langen Schritten überquerte Dietrich den Hof vor dem Palas und hielt Ausschau nach dem Ritter, der ihm als die beste Wahl für einen respekteinflößenden Schwertkampf erschien.
    Er fand den Gesuchten erwartungsgemäß bei den Knappen, die am Hof seines ältesten Bruders auf dem Meißner Burgberg ausgebildet wurden und nun mit Ottos Rittern nach Magdeburg zum Hoftag gereist waren.
    Wie gebannt starrten die Burschen zwischen vierzehn und zwanzig Jahren auf Christian von Christiansdorf, der ihnen gerade mit einem jüngeren, blonden Ritter vorführte, wie man blitzschnell unter dem Schwert des Gegners durchwechselte, wenn sich die Klingen berührten, um dann die Blöße des anderen auszunutzen und einen tödlichen Hieb am Übergang von Hals und Schulter zu plazieren.
    Erneut stiegen düstere Erinnerungen in dem Landsberger auf. Mit einem ähnlichen Manöver hatte Christian vor fünf Jahren bei einem Gottesurteil einen an Größe und Körperkraft überlegenen Gegner besiegt, seinen Todfeind Randolf. Dieser war es gewesen, der Dietrichs Sohn aufgestachelt hatte, nach dem erfolgreich bestandenen Buhurt auch noch zum Tjosten gegen einen als unbezwingbar geltenden Gegner anzutreten. Erst das Wissen darum hatte den Meißner Markgrafen dazu gebracht, seinen vermeintlich getreuesten Gefolgsmann fallenzulassen und Christian zu erlauben, den Ritter zum Zweikampf herauszufordern, der sich ihm und seinem Dorf gegenüber unzählige Schandtaten hatte zuschulden kommen lassen. In einem auf dem Meißner Burgberg längst zur Legende gewordenen Kampf gelang es Christian, den Hünen mit nur zwei Hieben zu besiegen.
    Als sich Dietrich der Gruppe in der hereinbrechenden Dämmerung näherte, sah er, dass sich die Knappen angesichts des gerade gesehenen beeindruckenden Schwertkampfmanövers gegenseitig in die Rippen
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