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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Lisa J. Smith
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größeren Dee.
    »Es ist meine Entscheidung«, sagte sie. »Ich weiß, worauf ich mich einlasse.«
    Und dann – Jenny traute ihren Ohren kaum – gesellten sich noch andere Stimmen hinzu.
    »Sie ist meine Cousine«, erklärte Zach. Sein Gesicht war entschlossen, und in seinen grauen Augen leuchtete ein intensives, klares Licht. Aufrecht wie ein Schwert trat er neben Dee. »Ich bin ihr Blutsverwandter. Wenn irgendjemand geht, sollte ich es sein.«
    Audrey und Michael hatten gerade noch hastig miteinander getuschelt und traten jetzt ebenfalls vor. Audreys kupferfarbenes Haar fiel ihr lose auf die Schultern, und in ihrer weißen Nylonjacke sah sie aus wie ein jungfräuliches Opfer. Nicht elegant, aber stolz und erlesen. Ihre Haut war kamelienbleich, ihre Stimme kühl und fest.
    »Wenn alle anderen Helden sein wollen, dann wollen wir das auch«, sagte sie. »Die Wahrheit ist, dass Jenny mehr wert ist als irgendeiner von uns, und wir alle wissen
das. Also. Sucht euch einen aus.« Sie sah die Schattenmänner hocherhobenen Hauptes an.
    »Ja«, stimmte Michael zu. »Und sie und ich, wir werden zusammen gehen.« Er zuckte die Achseln, als sei das keine große Sache. Doch dann zitterte sein Mund heftig und er griff nach Audreys Hand. Für einen Moment sah er so aus, als wollte er sich übergeben, aber er schluckte nur – und stellte sich den Schattenmännern. Seine untersetzte Gestalt strahlte eine eigenwillige Würde aus.
    Jennys Kehle war so angeschwollen, dass sie kaum mehr atmen konnte. Trotzdem öffnete sie den Mund – als ein kleiner, blauer Blitzstrahl in die Mitte des Raums schoss.
    »Oh, bitte, nehmt nicht Jenny«, keuchte Summer. Sie wirkte vollkommen verängstigt und so zerbrechlich wie gesponnenes Glas, und in ihren Augen flackerte eine wilde Leere. Ihre Worte überschlugen sich. »Bitte – bitte – ihr dürft sie nicht nehmen. Ich bin nicht tapfer oder klug – ich hätte in dem Papierhaus sterben sollen. Ich …«
    Weiter kam sie nicht. Sie brach zusammen wie ein Vogel, der vom Himmel geschossen wurde, und lag inmitten eines blauen Häufchens da. Bis Zach sie aufhob – und sie im Arm hielt. Zach, der niemals irgendeinem Mädchen Beachtung geschenkt hatte.
    Die Schattenmänner waren höchst erfreut. Jenny konnte es ihnen ansehen. Dieses Spiel entwickelte sich wahrscheinlich noch viel besser, als sie je zu hoffen gewagt
hatten – zu einem viel besseren Wettkampf. Sie hatten sieben Mäuschen, mit denen sie spielen konnten, und sie kosteten es in vollen Zügen aus.
    »Seid ihr sicher, dass ihr wisst, was ihr da tut?«, fragte der Schattenmann mit den Krokodilsaugen ernst.
    »Wir könnten es ihnen erklären«, schlug der mit dem blutroten Auge vor.
    »Ihnen genau sagen, was ihnen bevorsteht.«
    »Was wir beabsichtigen, um uns an ihnen zu erfreuen.« Andere Stimmen fielen ein, und die Schattenmänner rückten näher heran. Bei ihrem Anblick überlief Jenny eine Welle des Abscheus, als sähe sie sie zum ersten Mal. Sie waren alt wie Spinnen, alt wie Stein. Sie waren – grauenvoll. Und der Gedanke daran, dass sie einen ihrer Freunde berührten, war unerträglich.
    Es war Zeit, dem ein Ende zu machen.
    »Es reicht«, sagte sie mit einer Stimme, die so scharf und autoritär war wie die von Audrey, und trat vor. »Ihr hattet euren Spaß, aber das Spiel ist vorbei. Ich bin diejenige, die ihr wollt. Diejenige, die euch betrogen hat. Also vergesst die anderen. Lasst sie gehen.«
    Das war gut, dachte sie und wurde wieder ein wenig gelassener. Sie war froh, dass sie genauso mutig sein konnte wie die anderen. Sie würde ihre Sache gut machen, und das war alles, was jetzt noch zählte.
    Die Schattenmänner schienen ebenfalls zu wissen, dass es vorbei war. Der Rotäugige streckte beinahe sanft
eine Hand aus. Finger wie die eines Gorillas griffen nach ihr – schwarz, wulstig, dick wie Würstchen, mit spitz zulaufenden Enden.
    Jenny legte ihre Hand in seine.
    Der Schattenmann zog seine Lippen hoch und entblößte lange, stumpfe Stoßzähne.
    Ein heftiger Schlag riss ihre Hände auseinander.
    Jenny verschlug des den Atem, sie war verwirrt und erschrocken. Sie rechnete mit einem erneuten Angriff.
    Aber es war Julian.
    Sein Haar leuchtete wie ein Blitz, wie Quecksilber. Sein ganzes Wesen schien erfüllt von elementarer Energie – von Furcht einflößender Intensität. Und seine Augen waren von diesem unglaublich leuchtenden Blau, das man nur in einem kurzen Augenblick während der Morgendämmerung zu Gesicht
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