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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Lisa J. Smith
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warum, weil der Brief, den Jenny zurückgelassen hatte, so gut wie nichts aussagte.
    Ich muss gehen – und hoffe, dass ich zurückkommen werde. Ich habe euch lieb. Aber ich muss es einfach tun.
    Es tut mir leid. Ich schulde euch sechshundert Dollar.
    Nicht sehr informativ. Aber was sollte sie auch sonst schreiben?
    Liebe Mom, lieber Dad,
    bei Toms Geburtstagsfeier letzten Monat ist etwas Schreckliches
passiert. Als wir dieses Papierhaus zusammengebaut haben, ist es zur Realität geworden. Und plötzlich waren wir alle drin, und ein Junge namens Julian hat uns gezwungen, ein Spiel mit ihm zu spielen. Wir mussten uns unseren schlimmsten Albträumen stellen und sie überwinden – oder für immer in der Schattenwelt bleiben. Und wir haben es alle geschafft, bis auf Summer – die arme Summer, Ihr wisst ja, sie war nie die Hellste –, und das ist der Grund, warum Summer seit Wochen verschwunden ist. Sie ist in ihrem Albtraum gestorben.
    Aber leider, Mom und Dad, ist Julian uns aus der Schattenwelt gefolgt . Er ist in unsere Welt gekommen und hinter etwas her – nämlich hinter mir. Mir. Er hat uns gezwungen, ein weiteres Spiel zu spielen. Und das endete damit, dass er Tom und Zach in die Schattenwelt gebracht hat. Dort sind die beiden jetzt – und nicht etwa weggelaufen, wie alle denken. Das Letzte, was Julian zu mir sagte, nachdem er sie geholt hatte, war: Wenn ihr sie zurückhaben wollt, kommt mit mir auf eine Schatzsuche.
    Und genau das tue ich jetzt. Der Haken daran ist nur: Wie sollen wir in die Schattenwelt hineinkommen? Ich habe keine Ahnung. Also fliege ich nach Pennsylvania, zu Grandpa Evensons Haus. Er hat vor langer Zeit eine Tür in die Schattenwelt geöffnet, und vielleicht hat er einige Hinweise hinterlassen.
    Sollte sie das schreiben? Um Himmels willen, nein, dachte Jenny. Den ersten Teil hatten ihre Eltern bereits
gehört, aber sie glaubten ihr nicht. Der zweite Teil würde sie nur darüber informieren, wohin Jenny unterwegs war – und ihnen die Chance geben, sie aufzuhalten.
    Entschuldigen Sie bitte, Herr Doktor, aber meine Tochter ist durchgedreht. Sie denkt, ein Dämonenprinz habe ihren Freund und ihren Cousin geholt. Wir müssen sie einsperren und auf sie aufpassen. Oh ja, nehmen Sie diese groooooße Spritze dort drüben.
    Nein, Jenny konnte niemandem davon erzählen. Sie, Audrey, Dee und Michael hatten diese Reise drei Tage lang geplant. So lange hatten sie gebraucht, um das Geld für die Flugtickets aufzutreiben. Jeder hatte pro Tag zweihundert Dollar mit den Bankkarten seiner Eltern abgehoben. Jetzt saßen sie im Nachtflieger von Los Angeles nach Pittsburgh, allein und verletzbar, zehn Kilometer über der Erde. Ihre Eltern dachten, dass sie in ihren Betten lagen und schliefen.
    Jenny war aufgeregt. Kämpfen oder untergehen. Es ging jetzt buchstäblich ums Überleben. Es gab schon längst keine Sicherheiten mehr. Jenny reiste an einen Ort, an dem Albträume wahr wurden – und einen töteten. Sie würde niemals vergessen, wie Summers blonder Kopf in diesen Müllhaufen verschwunden war.
    Wenn sie erst einmal dort war, würde sie sich nur noch auf ihren eigenen Verstand verlassen können – und auf ihre Freunde.

    Sie blickte zu ihnen hinüber. Michael Cohen mit seinem zerrauften dunklen Haar und den seelenvollen Spanielaugen, in Klamotten, die zwar sauber waren, aber auch zerknittert und fernab von jeglichem Modetrend. Audrey Myers, kühl und elegant in einem schwarz-weißen italienischen Hosenanzug, jede Unruhe, die sie vielleicht empfand, unter einem perfekt polierten Äußeren verborgen. Und Dee Eliade, eine Prinzessin der Nacht mit einem schrägen Sinn für Humor und einem schwarzen Gürtel in Kung-Fu. Sie alle waren sechzehn, in der elften Klasse der Highschool und auf dem Weg, gegen den Teufel zu kämpfen.
    Die Stewardessen servierten das Abendessen. Dee futterte mit hemmungslosem Appetit ihren Obstteller leer. Sobald die Tabletts abgeräumt waren, gingen überall im Flugzeug die Lichter aus. Eins nach dem anderen erlosch.
    Eine Beleuchtung wie in einer Leichenhalle, dachte Jenny schaudernd und betrachtete das schwache, diffuse Deckenlicht, das noch übrig war. Es erinnerte sie an den Besuchsraum, in dem sie ihre Großtante Sheila das letzte Mal gesehen hatte. Eigentlich war sie zu aufgewühlt, um zu schlafen, aber sie musste es versuchen.
    Denk bloß nicht an ihn, befahl sie sich und lehnte den Kopf gegen die kühle, vibrierende Wand des Flugzeugs. Oh, wen schert es schon, denk
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