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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Lisa J. Smith
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Spiel, seit sie unsere Beute gestohlen hat«, erklärte ein anderer mit einer Stimme, als hätte er einen Angelhaken verschluckt.
    »Wer hat deine Beute gestohlen?«, rief Tom. Plötzlich hatte Jenny das Gefühl, als gäbe der Boden unter ihr nach.
    Ihre Fingerspitzen kribbelten, und das Kribbeln zog sich über ihre Hände, als würden sie von kleinen Schocks erschüttert. Sie sah Julian an.
    Julian war erstarrt. Die Hände noch immer in den Manteltaschen vergraben, schaute er die anderen Schattenmänner mit hartem Blick an. Dann zog er kaum merklich die Augenbrauen hoch und legte den Kopf leicht in den Nacken. Er hatte verstanden.
    Sein verschleierter Blick wanderte zu Jenny.
    »Sie hat uns den alten Mann genommen«, erklärte ein dritter Schattenmann flüsternd wie verwehter Schnee. »Und die beiden Jungen, die waren auch unsere Beute. Wir haben sie gejagt. Sie haben uns gehört.«
    Plötzlich ertönten von überallher weitere Stimmen.
    »Der alte Mann hat uns rechtmäßig gehört«, erklang eine Stimme wie ein Messinggong.

    »Blutrecht«, krächzte eine belegte, trübe Stimme.
    »Er hat die Vereinbarung mit uns getroffen – sein Leben gehörte uns«, peitschte eine andere Stimme erbarmungslos.
    Julian sah jetzt fast so aus wie Audreys Mutter, als sie Michael vorgeschlagen hatte, seine dreckigen Turnschuhe einer Hilfsorganisation zu spenden. »Aber ihr wart doch fertig mit dem alten Mann«, stellte er fest.
    »Aber wir waren noch lange nicht damit fertig, uns an ihm zu ergötzen.«
    »Er hat uns gehört – für immer.«
    »Und die Jungen«, fegte eine Stimme wie ein kalter Wind dazwischen, »mit den Jungen hatten wir gerade erst angefangen.«
    »Wir haben noch nicht mal einen Zahn in sie hineinbekommen  …«
    Das freut mich, dachte Jenny grimmig. Sie war froh, dass sie ihren Großvater gerettet hatte, dass sie ihn vor einer Ewigkeit mit diesen Ungeheuern gerettet hatte. Aber sie hatte trotzdem Angst.
    Jetzt bewegte sich der hochgewachsene Schattenmann vorwärts. Mit seinen Krokodilsaugen blickte er auf Jenny herab: uralt, mitleidlos und unendlich böse.
    »Sie hat uns ihre Seelen gestohlen«, sagte die Kreatur und machte zugleich ihren Anspruch geltend. »Und jetzt ist ihr Leben verwirkt. Sie ist unsere rechtmäßige Beute.«

    Lärm brandete auf und schwoll im ganzen Raum an, lauter und lauter. Es war eine Komposition aus schönen und schrillen Klängen, aus Heulen und Jaulen und reinen Tönen wie Musik.
    Die Schattenmänner lachten.
    »Verschwindet von hier, ihr verrückten Bastarde! Haut ab!«, brüllte Dee über das schaurige Lachen hinweg. Sie rannte auf die versammelten Ungeheuer zu und stieß ihren Arm nach vorne, um mit der flachen Hand zuzuschlagen. Sie trat um sich; ihre Beine schossen so schnell vorwärts, dass man der Bewegung nicht mit bloßem Auge folgen konnte, und sie trafen ihr Ziel mit vernichtender Wucht.
    »Nein!«, schrie Jenny und lief hinter ihr her. »Dee!«
    Sie tat es, ohne nachzudenken, und Tom war an ihrer Seite, bereit, Dee aufzuhalten oder ihr beim Kampf zu helfen, je nachdem, wie die Schattenmänner reagierten.
    Jenny hatte Angst, dass sie Dee töten würden. Julian hätte Dee mühelos durch den Raum schleudern können. Aber die Schattenmänner lachten nur noch schallender – und verblassten dort, wo Dees Tritte landeten. Dees Hände und Füße trafen niemals auf etwas Festes; die Ungeheuer schmolzen einfach wie Schatten, wann immer sie sie berührte.
    Sie keuchte bereits vor Erschöpfung, als Jenny und Tom sie erreichten.
    Dees Eingreifen hatte Jennys Kopf völlig frei gemacht.
Sie schaute Julian an, der sich keinen Zentimeter von der Stelle gerührt hatte, anscheinend unbeeindruckt von der durchdrehenden Dee. Er wirkte – distanziert. Nicht müde wie zuvor, sondern – losgelöst. Als würde ihm ein halbwegs interessantes Drama geboten. Vielleicht sympathisierte er auch mit den anderen Schattenmännern.
    Jenny blickte in die Krokodilsaugen vor ihr. Sie nahm allen Mut zusammen, um die Kreatur anzusprechen.
    »Du sagst, dass du ein Recht auf mich hast, weil ich die Seele meines Großvaters befreit habe.«
    »Dem Gesetz nach gehörst du jetzt uns«, erklärte der hochgewachsene Schattenmann. »Wir können dich mitnehmen – dich umarmen – mit dir machen, was wir wollen.« Überraschenderweise sah er Julian an. »Das Gesetz kann nicht geändert werden.«
    »Ich weiß, dass das Gesetz nicht geändert werden kann«, antwortete Julian tonlos.
    »Vor zehn Jahren hat sie uns
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