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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Jane Christo
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doch.
    „Blaaanche!“, rief Nella. Ihre Stimme klang angespannt.
    Shit!
    Mit gezückter SIG stürmte sie zur Kabine und riss den Vorhang zurück. Dann klappte ihr Mund auf. Nella stand halb nackt vor dem Spiegel und deutete auf ihre linke Brust.
    „Ist die kleiner?“
    Ähm …
    „Als was?“
    „Na, als die andere!“ Mit gefurchter Stirn blickte sie auf ihr Spiegelbild. „Ich finde, sie ist kleiner, was meinst du?“
    Blanche hatte schon viel gesehen. Schusswunden, Stichverletzungen, Himmel, selbst zerstückelte Leichen. Es war auch nicht so, als wäre ihr der Anblick nackter Frauen fremd. In den Bordellen, in denen Wayne und sie sich früher versteckt hatten, waren die Mädels meistens im Geburtstagskostüm herumgehüpft. Warum irritierte sie Nellas Oben-ohne-Show? Sie betrachtete den konzentrierten Ausdruck auf ihren Zügen, dann wurde ihr klar, dass sie so entblößt noch verletzlicher wirkte, als es ohnehin der Fall war. Innerlich seufzte sie.
    „Also, ich finde, mit deinen Möpsen ist alles in Ordnung.“
    „Bist du sicher? Ich habe den Eindruck, sie schrumpft, während ich dabeistehe.“
    „Das, ähm, liegt am Licht?“ Klang das etwa wie eine Frage?
    „Oh.“ Sie drehte sich ein paar Mal hin und her. „Glaubst du wirklich?“
    „Hundert Prozent.“
    Nella wirkte nicht überzeugt. Abwechselnd hob sie erst die eine, dann die andere Brust, lehnte sich vor und zurück, bis sie sich an Blanche wandte und auf ihren Rolli starrte.
    „Kann ich deine mal sehen?“
    Na toll. Der Letzte, der versucht hatte, einen Blick auf ihre Titten zu werfen, endete auf dem Grund des Genfer Sees.
    „Ich trage heute langweilige Supermarktwäsche, die kann ich dir nicht zumuten.“ Damit zog sie den Vorhang zu und schlug mit der Stirn gegen den Türrahmen. Wann würde dieser Tag enden?
    Nachdem Nella ihren Kram bezahlt hatte, wunderte sie sich laut über den mordsmäßigen Rabatt, den ihr die Verkäuferin eingeräumt hatte.
    „Und hast du den Kram auf dem Boden gesehen? Ich finde, nur weil sie reduzieren, sollten sie nicht auf Wühltisch machen, das hat keinen Stil.“
    „War bestimmt ’ne neue Warenlieferung“, murmelte Blanche halbherzig. Sie hatte anderes im Kopf. Die beiden Ratten folgten ihnen immer noch in geringem Abstand, sie versuchten nicht mal, sich zu verstecken. Wollten die sie provozieren?
    Sie musste an ihre Reputation denken. Wenn man ihr Amateure hinterherschickte, würde das ihrem Ruf schaden. Image war in ihrer Branche überlebenswichtig. Wenn man sie nicht respektierte, würde das ihr Leben unnötig verkomplizieren, und diese Burschen wollten sie eindeutig herausfordern. Was bedeutete, dass es nicht Sergejs Männer waren. Blanche tippte auf die Algerier, die hatten am Wenigsten zu verlieren. Räumten sie Enzos berühmte Killerin aus dem Weg, wären sie gemachte Leute.
    In einem offenen Kampf hatten sie keine Chance. Brachten sie Blanche allerdings dazu, auf offener Straße auf sie zu schießen, trat das Militär in Erscheinung, und sie würde von jedem Polizisten der Stadt gejagt werden. Vermutlich war das sogar der Plan.
    Sie ergriff Nellas Ellenbogen und führte sie in die Rue des Saints-Pères, eine schmale Seitengasse. Als sie auf eine weitere Boutique zusteuerte, fragte Nella überrascht: „Wollten wir nicht etwas essen gehen?“
    Blanche kratzte sich den Nacken. „Ich, äh, wollte mir hier nur kurz einen, ähm, Gürtel ansehen.“
    Sicher doch.
    „Cool!“ Nella strahlte und klatschte entzückt in die Hände. „Ich hatte schon befürchtet, dass dir die Shoppingtour lästig ist.“
    Anscheinend musste sie nicht nur an ihrer Reputation, sondern auch an ihrem Pokerface arbeiten.
    „Keine Ahnung, wie du darauf kommst“, brummte sie und öffnete die Eingangstür. Kaum hatten sie den Schuppen betreten, wurde Nella prompt ein Glas Veuve angeboten.
    Schon besser, dachte Blanche, schnappte sich ein schwarzes Cocktailkleid, und machte sich Richtung Kabinen auf. Wenn man sie ernsthaft angreifen wollte, wäre dies ein idealer Ort. Abseits der Hauptstraße mit wenig Fluchtmöglichkeiten. Sie warf den Fummel in die Umkleide und steuerte zum Hinterausgang. Die Tür war gesichert, also ging sie in die Hocke, zog einen Draht und einen dünnen Metallstift aus der Seitentasche ihrer Cargos, und machte sich an die Arbeit. Sekunden später war die Sicherung geknackt, und Blanche öffnete die Tür, die in einen Hof führte. Kaum war sie mit einem leisen Klick hinter ihr ins Schloss gefallen, kamen zwei
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