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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Jane Christo
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ins Bild und warf einen Blick auf ihre Notizen. „Die Hotels beklagen eine Stornierungswelle, der Tourismus ist um fünfundachtzig Prozent zurückgegangen“, sagte sie vorwurfsvoll, als wäre es die Schuld der Zuschauer, dass kein Schwein nach Paris kommen wollte. „Bürgermeister Delanoes Stellungnahme richtet sich gegen den Staatspräsidenten, der offensichtlich zu spät auf die sich anbahnende Katastrophe reagierte.
    Wochenlang wurde Delanoes Bitte um Unterstützung abgewiesen.“ Jetzt wurde ihr Ton dramatischer, während sie wie ein Maulwurf in die Kamera blinzelte. „Ein Fehler, wie wir heute wissen.“
    Blanche unterdrückte ein Schnauben, doch Miss Neunmalklug war noch nicht fertig.
    „Nun scheint es der Präsident besonders gut mit dem Bürgermeister zu meinen, denn aktuell wirkt die Stadt wie ein Kriegsgebiet. Zahlreiche Hauptverkehrsadern wurden abgeriegelt, unter anderem der Champs-Élysées sowie die Avenue de Clichy. Der Nahverkehr in Paris ist zusammengebrochen, der Zugverkehr wurde stark eingeschränkt, zahlreiche Flüge gestrichen.“ Jetzt nahm ihre Miene einen süffisanten Ausdruck an, während sie im Klugscheißermodus fortfuhr: „Man möchte annehmen, dass die Gendarmerie nach diesen Maßnahmen Ergebnisse vorweisen kann, stattdessen wirkt die Polizei ratloser denn je und hüllt sich in Schweigen.“
    Wenn die Gendarmerie etwas wüsste, würde sie es dieser Schnepfe bestimmt nicht auf die Nase binden.
    Blanche blendete den Bericht aus, und ließ den Blick über die Schlagzeilen der Tagesblätter wandern. Überall stand das Gleiche: „ Zerstörung des französischen Wahrzeichens schlägt Wellen“, „Empörung über die jüngsten Terrorakte ruft die EU auf den Plan“, „Bildung einer Europaarmee wird erneut diskutiert“ , bla, bla, bla …
    Als ihr Caffè lungo serviert wurde, bat sie den Kellner, den Fernseher abzustellen, was er mit einem abfälligen Grunzen ablehnte. Dann eben nicht, dachte sie, und nippte an dem espressoartigen Kaffee. Es war eine idiotische Idee gewesen, hierherzukommen, was hatte sie sich dabei gedacht? Sobald sie die Tasse geleert hatte, würde sie sich vom Acker machen. Zufrieden mit ihrem Entschluss nahm sie einen weiteren Schluck, als ein Stuhl an ihrem Tisch zurückgezogen wurde und Leo ächzend Platz nahm.
    Innerlich seufzte sie. War ja klar, dass der hier aufkreuzte.
    „Wenn du mein neuer Bodyguard bist, alter Mann, bin ich schwer beleidigt.“
    Leo arbeitete für den Boss der Italienischen Mafia von Paris, Enzo di Lorenzo. In gewisser Weise arbeitete sie auch für ihn, aber diesen Gedanken verdrängte sie meistens, denn das war nichts, worauf sie stolz war.
    „Enzo hat Besseres zu tun, als dir seine Leute auf den Hals zu hetzen. Du hängst sie ja doch ab, oder schickst sie mit einer Kugel im Fuß zu ihm zurück.“ Er winkte den Kellner heran, und bestellte einen Single Malt.
    Blanche verdrehte die Augen. Ja, sie hatte einem der Typen in den Fuß geschossen, er konnte froh sein, dass es nicht sein Knie war. Sie wollte Enzo lediglich eine Botschaft senden, das war alles. Und mal ehrlich, das war ein glatter Durchschuss gewesen. Kein gesplitterter Knochen, kein Muskelriss, wo war das Problem? Zwar lungerten noch immer Aufpasser in ihrer Nähe, aber die stammten von Enzos Partner, ihrem Ex-Lover, Marcel. Da sie seine Männer kannte, zögerte sie, einen von ihnen anzuschießen. Einem Fremden den Fuß zu lochen war weniger persönlich als einem Bekannten.
    Verfluchter Mist, sie wurde zu weich. Obwohl – sie hatte nichts gegen Marcels Leute, im Gegenteil. Als sie bis vor wenigen Monaten für ihn Türsteherin gespielt hatte, war sie gut mit seinen Jungs ausgekommen. Zumindest, nachdem sie sich daran gewöhnt hatten, sich von ihr im Training vermöbeln zu lassen. In den guten alten Tagen in der Schweiz war es ihre Aufgabe gewesen, Marcels Männer zu trainieren, und da sie keine halben Sachen machte, hatte sie seinen Jungs das Fürchten gelehrt.
    Bei dem Gedanken daran umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Verdammt, es hatte Spaß gemacht, mit anzusehen, wie sich ihre Überheblichkeit erst in Erstaunen, dann in blankes Entsetzen gewandelt hatte. Verständlich, denn wer bei Verstand ließ sich freiwillig von einer halben Portion den Absatz in den Südpol rammen.
    Innerlich seufzte sie. Diese Zeiten waren vorbei. Heute arbeitete sie nicht für Marcel. Sie waren auch kein Paar mehr, denn Blanche war von Lausanne nach Paris gereist, um den Tod ihres Mentors zu
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