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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung
Autoren: Frances Watts
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griff wieder nach den Rudern, und Alice berichtete mit Alex’ Hilfe (der ihrer Version der Ereignisse nicht immer zustimmte) von dem Gespräch mit Tante Beezer und Onkel Ebenezer, das sie an dem Morgen vonAlistairs Verschwinden geführt hatten. Dabei hatten sie auch alles über die FUG und Gerander erfahren und sich aufgemacht, um Alistair zu suchen.
    Während Alex und Alice ihre Geschichte erzählten, staunten alle wieder über ihr wundersames Treffen auf der Marmaduk und ihre Flucht vor Horatius und Sophia. Doch als die Marmaduk und die Sickert hinter dem Horizont verschwanden (nach sechshundert Ruderschlägen), versickerte auch Alistairs ursprüngliche Euphorie. Unter den unbarmherzigen Strahlen der Sonne wurde ihm rasch klar, was er da angezettelt hatte. Sie saßen hier in einem winzigen Rettungsboot mitten auf dem Meer. Er hatte keine Ahnung, wie weit sie vom Land entfernt waren und wie lange sie brauchen würden, um die Küste zu erreichen. Warum hatte ihn keiner davon abgehalten? Alle hatten wohl angenommen, er wisse, was er da vorhatte. Aber er hatte natürlich keine Ahnung ...
    Nach siebenhundert Ruderschlägen hatte er auf dem Kopf und an den Ohrenspitzen einen Sonnenbrand. Sein Nacken juckte unter dem Schal, seine Armmuskeln taten weh und sein Rücken schmerzte. An seinen Händen bildeten sich da, wo er die Ruder gepackt hielt, Blasen.
    »Schluss«, keuchte er, »ich kann nicht mehr.«
    »Ich übernehme«, bot Alex freiwillig an, und er und Alistair tauschten die Plätze.
    Alistair hielt sich die Hände über den Kopf und versuchte, sich vor der Sonne zu schützen, während sich Alice und Tibby Rose leise unterhielten. Aus ein paar Brockenentnahm Alistair, dass Tibby Rose Alice von ihren Eltern erzählte und wie es dazu gekommen war, dass sie bei ihrem Großvater und ihrer Großtante lebte.
    Der Nachmittag verging und Alex wurde von Tibby Rose und die wiederum von Alice an den Rudern abgelöst. Auf die Gespräche über die FUG und Gerander folgten nun vereinzelte Klagen über die brennende Sonne, ihren furchtbaren Durst und den nagenden Hunger.
    Stunden waren vergangen, und sie schienen den Wolken, auf die Tibby Rose gedeutete hatte, nicht näher zu kommen. Als Alistair schließlich das dritte Mal an den Rudern saß, begann er zu verzweifeln. Wie lange konnten sie ohne Essen oder Wasser oder Schutz mitten auf dem Meer überleben?
    Während Alice die Ruder wieder übernahm und Alex laut von einer eisgekühlten Käsespeise mit Erdbeeren und viel Pfeffer träumte, hatte Tibby sich genau umgesehen und rief plötzlich: »Guckt mal, da drüben. Ist das nicht Land?«
    Voller Hoffnung suchte Alistair den Horizont ab. Immer wieder. »Ich weiß nicht«, sagte er achselzuckend. »Es ist so weit weg, dass es für mich nur wie ein Fleck aussieht.«
    Doch mit der Zeit wurde aus dem Fleck am Horizont, der ihnen zuerst wie ein verwischter grauer Streifen erschienen war, eine Ansammlung von grün bewachsenen Felsen. Dann entdeckte Alistair eine Gruppe roter Ziegeldächer, die sich kunterbunt über einen Abhang zogen.Schambel! Alistair übernahm wieder die Ruder und fing mit neuer Kraft zu paddeln an.
    Sie kamen näher und konnten jetzt mehr Einzelheiten ausmachen. Die Reihe ungleicher Häuser am Kai, die zwei oder drei Stockwerke über die Markisen ragten, so bunt gestrichen, dass man den Blick nicht davon wenden konnte: ein hohes, schmales gelbes Gebäude mit einer einzigen Reihe blassblauer Fensterläden, daneben ein großes, stattliches senffarbenes Haus mit tannengrünen Fensterläden und hübschen schmiedeeisernen Balkonen; ein fröhliches, etwas heruntergekommenes lachsfarbenes Haus mit braunen Läden und Geranientöpfen auf den Fensterbänken dicht neben einem gepflegten fast weißen Haus, das mit roten Steinen eingefasst war. Nach dem blendenden Weiß und kühlen Grau von Souris erfreute sich Alistairs Herz an den warmen Farben seiner Heimatstadt.
    Seine Armmuskeln schmerzten höllisch, als sie schließlich in einer kleinen Bucht am westlichen Ende des Hafens landeten, aber es machte ihm nichts aus. Flink sprang er aus dem Boot, gefolgt von Alice, Tibby Rose und Alex.
    »Ich hätte nie geglaubt, so froh zu sein, Schambel wiederzusehen«, sagte Alice, als sie am Kai entlangeilten. »Aber das bin ich wirklich.«
    Alistair merkte, wie seine Lebensgeister wieder erwachten. Er war in Schetlock! Plötzlich waren die Mühen des Tages wie weggewischt und er war nicht mehr müde. »Lasst uns nach Hause gehen!«

20 WIEDER
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