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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Autoren: C.H.Beck
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Mühlrad und Mahlwerk ein Wohnhaus hervor; von der Burg aus, die heute eine Ruine ist, wurde ein Weg überwacht; eine heute einzeln stehendeScheune war früher vielleicht einmal Teil eines Bauernhofes, dessen andere Komponenten nicht mehr vorhanden sind; am heute isoliert stehenden Bahnhofsgebäude hielten noch Züge, und das Gebäude war noch nicht zum reinen Wohnhaus umgebaut. Wichtige Quellen für die Aufdeckung früherer Landschaftszustände erschließen sich bei der Analyse von Baumaterial. Wurde lokales Gestein verwendet? Oder importierte man Baustein? Massive Holzhäuser, Verbretterungen von Giebeln und Schindeln finden sich fast nur in Gegenden, in denen Nadelholz zum Bauen zur Verfügung stand; allenfalls konnte man ersatzweise Erlenholz aus Bruchwäldern verwenden, beispielsweise im Spreewald oder am Steinhuder Meer. In einigen Fällen wurde Nadelholz zum Bau von Häusern importiert; das lässt sich beispielsweise an der waldarmen Nordseeküste nachweisen. Sonst baute man oft mit Eichenholz: Eichenstämme zeigen charakteristische Krümmungen, vor allem, wenn sie in intensiv genutzten Nieder- und Mittelwäldern aufwuchsen. Dort wurden die Bäume im Abstand von wenigen Jahrzehnten geschlagen. Aus den Baumstümpfen trieben mehrfach gekrümmte Sekundärtriebe in die Höhe. Analysieren lassen sich ferner die Jahrringe von Holz. Dies ist einerseits für die Datierung der Gebäude wichtig, erlaubt aber andererseits auch Hinweise auf die ehemalige Bewirtschaftung und das frühere Aussehen von Wäldern.
    Zu den Denkmälern, die einen Zustand von Landschaft dokumentieren, gehören nicht nur Bauwerke, sondern auch andere historische Landschaftselemente, die häufig als «historische Kulturlandschaftselemente» bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um Strukturen in der Landschaft, die ehemals in einen funktionalen Kontext der Nutzung eingebunden waren, es heute aber nicht mehr sind. Dennoch prägen sie auch im nicht mehr genutzten Zustand das aktuelle Bild der Landschaft. Dazu zählen Überreste von früheren Ackerfluren, beispielsweise Stufenraine von terrassierten Äckern, Grenzsteine, Reste von Wegen, Hecken und markante Einzelbäume. Viele dieser Denkmäler sind schwer zu entdecken und zu deuten; man braucht zu ihrer Analyse eine Anleitung. [39]
    Bei der Erfassung historischer Landschaftselemente achtet man gemeinhin zunächst einmal besonders auf Spuren, die sich außerhalb von Siedlungen finden lassen. Elemente von früher in funktionale Kontexte eingebundenen Landschaftsstrukturen verdienen aber ebenfalls Beachtung, wenn man sie innerhalb von Siedlungen findet: Reste von Mühlwehren und Kanälen beispielsweise, die sich sogar in Städten nachweisen lassen. An ihnen ist unter anderem abzulesen, wie Gewässer genutzt und umgelenkt wurden.
    Weitere Quellen, mit denen sich frühere Zustände von Landschaften deutlich machen lassen, sind historische Fotografien. So griffig die Analyse dieser Bilder ist, so ist doch Vorsicht geboten: Fotos können mit unterschiedlichen technischen Ausrüstungen angefertigt worden sein, unter anderem mit Weitwinkelobjektiven, mit denen sich Landschaften erheblich verzerrt wiedergeben lassen, oder Fotos sind retuschiert worden.
    Es liegt nahe, zur Erfassung eines früheren Zustandes von Landschaft Landkarten zurate zu ziehen und einen Kartenvergleich durchzuführen. Dabei ist aber erneut zu bedenken, dass jede Landkarte das Ergebnis von Interpretationen ist. Exakte, nach Längs- und Hochwerten eingemessene Landkarten wurden seit dem späten 18. Jahrhundert gezeichnet. Ein auf Karten eingezeichneter Wald hat nicht immer genau den gleichen Charakter wie derjenige, der heute existiert: Der unscharfe Rand eines zur Waldweide genutzten Gehölzes unterscheidet sich von der exakt gezogenen Begrenzung eines modernen Forstes. Auf Landkarten sehen aber beide Waldränder gleich aus, weil die allmählichen Übergänge zwischen dichteren Waldpartien und offeneren Flächen eines früheren Hudewaldes abstrahierend wie ein scharfer Waldrand dargestellt wurden. Ältere Landkarten dürfen nur mit großer Vorsicht einem Kartenvergleich unterzogen werden, weil sie in vielfältiger Hinsicht verzerrt und ungenau sein können. Allerdings kann auch ein Vergleich mit sehr alten Landkarten zu hervorragenden Resultaten führen. [40]
    In schriftlichen Quellen jeglicher Art, sei es in Dichtungen oder in historischen Beschreibungen, finden sich sehr wesentlicheHinweise auf frühere Zustände von Landschaften. Zu
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