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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Autoren: C.H.Beck
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Nutzungsräumen und damit für wichtige Aspekte konkreter Landschaften ist die Betrachtung des Bestandesklimas, vor allem in der bodennahen Luftschicht. [30] Dabei geht es zum Beispiel um die Analyse, wo sich in Strahlungsnächten Kaltluftseen ausbilden: Kalte (und schwerere) Luft sammelt sich in Niederungen, daher treten dort häufiger als andernorts besonders niedrige Temperaturen auf. In Kaltluftseen ist die Frosthäufigkeit größer und daher die Vegetationsperiode kürzer. Erhebliche Temperaturunterschiede bestehenzwischen den Sonnen- und Schattenseiten eines Berges oder sogar eines einzelnen Felsens. Die tatsächlich an den Boden gelangenden Regenmengen unterscheiden sich außerhalb und innerhalb einer Baumkrone deutlich; besonders viel Wasser tropft an der Außenseite eines Baumes, an dessen Trauf, zu Boden, erheblich weniger Feuchtigkeit gelangt dagegen in den Bereich unter einer Baumkrone.
    Sehr schwierig ist die Erfassung der Strahlungsintensität. Einzelne Messungen besagen nicht viel, auch aus der Wiederholung von solchen Messungen im Tageslauf ist kaum eine relevante Aussage zu erwarten. Besser wäre es, zunächst zu erfassen, wie lange ein bestimmter Punkt in der vollen Sonne liegt. Dies hat auf die Fotosynthese und damit die Wuchsleistung der an diesem Ort wachsenden Pflanzen einen viel größeren Einfluss als die in bestimmten Momenten auf sie treffenden Lichtmengen.
    Eine ähnlich enge Beziehung wie zwischen Landpflanzen und Boden besteht zwischen Wasser- und Ufervegetation einerseits und Wasserstand und Wasserqualität andererseits. [31] Das Vorkommen von Wasser- und Uferpflanzen hängt von bestimmten Eigenschaften der Gewässer ab, die sich mit physikalischen und chemischen Methoden messen lassen. Wichtig sind die Gewässertemperaturen und deren Veränderung im Jahreslauf sowie das Vorkommen von Substanzen, die Stickstoff und Phosphor enthalten, sowie Magnesium, Kalium und Calcium.
    Andere Analysen des momentanen Zustandes einer Landschaft gehen von kulturwissenschaftlicher Seite aus. Dabei befasst man sich mit Siedlungen und einzelnen Häusern, die mit Methoden der Siedlungs- und Bauanalyse betrachtet werden. Es ist wichtig, Größe und Form von Siedlungen zu erfassen, die Anzahl ihrer Bewohner, die Größe und Form der Häuser, die Funktionen, die sie erfüllen, die Baumaterialien, die Bautechniken usw. [32] Analysiert werden können außerdem Straßen und Wege sowie die aktuelle Verteilung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen. Auch die Nutzungsmethoden, die bei Land- und Forstwirtschaft angewandt werden, und deren Einfluss auf die Landschaft lassen sich einer Analyse unterziehen. [33]
    Auf der Grundlage der natur- und kulturwissenschaftlichen Analysen können Typen gebildet werden; auch Analyseergebnisse, die an sehr weit voneinander entfernten Orten erzielt wurden, lassen sich ihnen zuordnen. Oft ermöglicht oder erleichtert ein Erkennen solcher Typen die eingangs dieses Kapitels erwähnte rasche Diagnose zu einer Landschaft. Dabei ist allerdings zu beachten, dass mit dem Erkennen eines Typs noch keineswegs besondere Eigenheiten einer Landschaft erfasst sind.
    Die genannten Erfassungsverfahren lassen sich insofern vergleichen, als sie den aktuellen Zustand von Landschaft betreffen. Für jede Form der Erfassung ist ein anderes Spezialwissen notwendig. Die Vegetation erfasst ein Wissenschaftler mit botanischer (biologischer) Expertise, eine Bauaufnahme unternimmt ein Bauhistoriker oder Volkskundler, der eine kulturwissenschaftliche Ausbildung durchlaufen hat. In der Vorgehensweise sind die Methoden aber ähnlich: Etwas, das im Moment zu erkennen ist, wird erfasst und kann zur Grundlage objektiver Ergebnisse werden. Je mehr Analyseergebnisse oder Fakten dabei berücksichtigt werden, desto umfassender ist der «Totaleindruck einer Gegend», desto facettenreicher ist die an die Untersuchungen anschließende Synthese, die auf der Erkennung von Evidenzen und den Zusammenhängen zwischen einzelnen Parametern beruht. Diese Evidenzen können sich widersprechen; dann beispielsweise, wenn ein Bodentyp nachgewiesen wird, den man zunächst nicht mit einem an Ort und Stelle festgestellten Vegetationstyp in Verbindung bringen kann. Solche widersprüchlichen Resultate erfordern spezielle Erklärungen, die eventuell dazu führen, die Besonderheit einer Landschaft herauszustellen.
    Alle Erfassungen des momentanen Erscheinungsbildes von Landschaftselementen führen zu Ergebnissen, die als Tableaus oder
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