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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Autoren: C.H.Beck
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Momentaufnahmen zu betrachten sind. Häufig nicht beachtet wird, dass die Basis für solche Erfassungen, der Charakter von Tableaus, sich von Augenblick zu Augenblick verändern kann. Aus einzelnen Datenerhebungen sind keine Zustände abzuleiten. Denn man weiß nicht, ob und wie schnell sich die Gegebenheiten verändern, die Grundlagen für die Daten sind. Nur wenn Datenerfassungenmehrfach wiederholt werden, kann man erkennen, ob man – wenigstens unter bestimmten Voraussetzungen – etwas als Zustand darstellen darf oder ob die ermittelten Daten lediglich eine Momentaufnahme innerhalb eines Prozesses repräsentieren.
Analysen zu früheren Landschaften: Tableaus aus der Vergangenheit
    Es gibt auch Momentaufnahmen, die ein Schlaglicht auf frühere Zustände von Landschaften werfen. Deren Erfassung erlaubt wichtige Schlüsse auch über den heutigen Zustand eines Ortes. Zum einen kann sich frühere Landnutzung erheblich auf die heutige Standortsqualität auswirken, etwa dadurch, dass der Boden in früherer Zeit verarmte oder Mineralstoffe an bestimmten Stellen angereichert wurden, was sich heute noch feststellen lässt. Zum anderen lässt sich über die Beachtung früherer Landschaftszustände ermitteln, wie Nutzungsmuster entstanden sind und ob Siedlungslagen zu jeder Zeit miteinander vergleichbar waren.
    Begrabene Böden bildeten sich in früherer Zeit und wurden anschließend von Ablagerungen bedeckt, die mit diesen Böden selbst nichts zu tun haben. Die Bodenbildungsprozesse sind in einem begrabenen Boden abgeschlossen; er ist dadurch fossil geworden. Allerdings können sich in solchen Böden auch noch nach der Überdeckung natürliche Prozesse abspielen, die aber mit der eigentlichen Bodenbildung nichts mehr zu tun haben. Begrabene Böden können prinzipiell mit den gleichen Methoden untersucht werden wie aktuelle Böden. Auf frühere Nutzung können Phosphatanalysen hinweisen; Phosphate wurden an Siedlungsplätzen, Gräberfeldern, aber auch an Plätzen von Viehweiden akkumuliert. Ihre Interpretation ist zuweilen schwierig, denn es ist nicht immer klar, wann die Phosphate akkumuliert wurden und ob sich diese Akkumulation mit einem archäologischen Fundhorizont, der an gleicher Stelle nachgewiesen wurde, zeitlich parallelisieren lässt. [34]
    Funde von Fossilien (darunter lassen sich auch Reste von Organismen aus einer Moorschicht verstehen, die erst vor wenigenJahrhunderten entstand) verweisen auf den Zustand von Landschaft zur Zeit ihrer Ablagerung. Versteinerte Überreste eines Meereslebewesens, die auf einem Berg gefunden wurden, belegen, dass sich am Fundort zur Zeit ihrer Ablagerung einmal Meer befunden hat, beispielsweise an der Stelle der heutigen Juragebirge.
    Archäologische Funde zeigen ebenfalls bestimmte Zustände an, die in der Vergangenheit bestanden haben. Besondere Relevanz für die Landschaftswissenschaft haben Hausfundamente [35] , Ackerspuren oder Überreste von Pflanzen [36] und Tieren [37] . Solche Überreste verweisen auf einen früheren Zustand von Landschaft, geben aber keine Hinweise auf deren Entwicklung. Letztere können sich allerdings aus dem Vergleich zwischen dem damaligen und dem heutigen Zustand ergeben. Bei der Analyse der Verbreitung archäologischer Funde muss beachtet werden, dass man prinzipiell nur einen Teil aller Siedlungshinterlassenschaften finden kann. Löcher für Pfosten, die das Fundament von Häusern bildeten, und Abfallgruben mussten tief in den Boden gegraben worden sein, oder weitere Ablagerungen mussten die Überreste der Siedlung abgedeckt haben, damit Spuren davon die letzten Jahrhunderte oder Jahrtausende überdauerten. Es ist vom Zufall abhängig, ob die Siedlungsspuren unter möglicherweise dicken Ablagerungspaketen überhaupt entdeckt werden. Sie können viele Meter dick sein. [38] Ein großer Teil der Überreste anderer Siedlungen verschwand durch Erosion vollständig. Einen anderen Aspekt archäologischer Funde sollte man nicht übersehen: Sie zeigen, wo jahrtausendelang nicht in tiefere Bodenschichten eingegriffen wurde. Nur an solchen Stellen blieben nämlich Strukturen früher Siedlungen erhalten, die heute mit archäologischen Methoden ausgegraben werden.
    Obertägig sichtbare Denkmäler sind nicht nur Elemente der heutigen Landschaft, sondern sie sind auch als Dokumente für einen früheren Zustand von Landschaft zu verstehen. Viele von ihnen erfüllten in früherer Zeit einen anderen Zweck als heute: Aus einer Wassermühle ging nach dem Ausbau von
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