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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Dirk van Versendaal
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die Schwestern mit zuckersüßen Stimmen davon sprachen, mich für alle Zeiten bei sich behalten zu wollen. Später wartete ich klaglos auf Züge, auf Tore in der Nachspielzeit, auf die Gunst der Frauen. Meine Fresse, dachte Knut Giovanni Myrbäck, ich habe in meinem Leben zu oft gewartet.
    Seit über einer Stunde saß er in der Kuhle eines auberginenfarbenen Sofas und starrte auf den gläsernen Maschinenkasten, der in seinem Inneren kleine Bälle von Popcorn ausspie. Sie kugelten eine über der anderen hinab, sammelten sich zur Woge und brandeten gegen die Wand.
    Punkt zehn Uhr war er im Kinocenter angekommen. Abgehetzt, schwitzend, pünktlich. Wie von Holzapfel bestellt. Dann komme die beste Zeit, hatte der erklärt, zwischen den Vorstellungen: Die einen gehen, die anderen kommen, wir haben unsere Ruhe.
    Nun, Myrbäck war gekommen, Holzapfel nicht.
    Die ersten Minuten hatte er sich damit vertrieben, einer Gruppe von Mädchen zuzusehen. Zu viert saßen sie vor zwei Rennspielautomaten. Sie trugen pechschwarz gefärbte Haare und eine Blässe, die das grüne und rote Flackern der Konsolen widerspiegelte. Zerstreut ruckelten sie an den Kupplungen der Maschine, überdrehten das Steuer und sprachen über Milben in Katzenohren, über Mofas, deren Reparatur kaum noch lohnte.
    Kurz vor elf schwang er sich auf. Er schulterte seine Sporttasche und ging zum Ausgang. Durch die Fenster des Foyers sah er, dass wieder Regen fiel. Die Spätvorstellungen waren angelaufen, wer jetzt noch kam, der hatte es eilig. So eilig wie das Trio, das vor ihm aus der Drehtür stürzte. Die Frau marschierte vorweg, sie trug Pagenfrisur und Dufflecoat, die nächste Runde fegte ihre Begleiter heraus: Zwei blonde Männer nebeneinander, dachte Myrbäck, warum sieht blond bei erwachsenen Männern so blöd aus?
    Ein Audi, hatte Holzapfel gesagt. Kennzeichen Ingolstadt. Ein Q7, Sondermodell der Baureihe V12, Hightech und geil in Bronze, wie die Buddhafiguren in den Tempeln Bangkoks.
    Seines Wissens hatte Holzapfel thailändischen Boden nie betreten. Und er selbst war erst einmal geschickt worden, einen Audi Q7 zu besorgen. Tatort Schwimmbad Blankenese, Mitternachtssauna, und während die Herrschaften sich die finnische Aufgussvariante gönnten, schwitzte er in der Umkleide. Die Wertschränke aufzubrechen war mitunter kompliziert, dafür aber stets von Erfolg gekrönt. Kein Mensch stieg mit seinem Autoschlüssel ins Schwitzbad.
    Myrbäck hatte das Kinocenter hinter sich gelassen, die Schnellstraße gekreuzt und augenblicklich die Orientierung verloren. Er stand vor grauen, flachen Häusern, in denen Lagerdepots, Autoglasereien, Teppichwäschereien sich eingemietet hatten. Er war von Holzapfel an die zerfaserten Ränder einer Vorstadtwüste geschickt worden, stellte er deprimiert fest. Der Regen fiel leicht, aber ohne Pause.
    Vor dem Eingangsportal eines zweistöckigen Industriegebäudes, die »M+T Wärmetechnik und Lüftungsbau« war hier ansässig, stieß er auf den rollenden Buddha. Als er den Wagen langsam umrundete, tuschte ein Bewegungsmelder seinen Lichtkegel in die Nacht. Er ging in die Knie und kauerte in der Stille neben dem Wagen. Minutenlang lauschte er nach Stimmen; mehr als das ferne Rauschen des Verkehrs auf dem Autobahnzubringer war nicht zu hören.
    Myrbäck wischte sich über das nasse Gesicht. Er öffnete seine Sporttasche und zog zwei Metallröhren hervor. Ein einziger kräftiger Stoß, eine kreisende Bewegung, aus dem Handgelenk heraus geführt, mehr brauchte es nicht, eine Prägung auf die Beifahrertür zu stanzen. An das Surren des Fräsmotors, an das leise Knirschen, das der Stift jetzt dem Metall entlockte, hatte er sich nie gewöhnen können. Es plagte seine Nerven wie kein anderes Geräusch. Aber es war die schnellste Methode, ein Loch in gehärtetes Stahlblech zu bohren.
    Mit einem Haken fischte er die im Inneren liegenden Kabel der Alarmanlage hervor, fette kleine Schlangen in Rot und Schwarz, und kappte sie mit einem Seitenschneider. Er schob ein Stahllineal in die Öffnung und stocherte in dem Gestänge herum, bis er das Aufspringen des Schlosses hörte. Langsam öffnete er die Tür des Wagens, setzte sich ans Steuer und sah in den Rückspiegel.
    Der Regen ist schuld, dass meine Frisur so eng am Schädel liegt, dachte er. Mit gespreizten Fingern fuhr er sich durchs Haar. Es roch süßlich im Wagen, muffig, das waren die Duftwolken des Popcorns, die seine Locken und die Wolle seiner Jacke durchtränkt hatten.
    Er blickte über
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