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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel
Autoren: Aurélien Molas
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Akte über jede Person, die sich diesem alten Kahn auch nur genähert hat, überprüfen Sie die Vorstrafen. Die Mannschaft nehmen wir uns besonders gründlich zur Brust. Lassen Sie das zwei Ihrer Männer erledigen, die schnell mal die Geduld verlieren ...«
    »Okay.«
    Ein Nebelhorn hallte in der Fahrrinne wider. Ein von Schleppern gezogener Frachter schob sich langsam, begleitet von Möwengeschrei, wie eine riesige Festung an ihnen vorbei. Der Kommissar zündete sich eine Zigarette an und hielt Broissard die Schachtel hin, der die Offerte jedoch ablehnte.
    »Ich beneide Sie nicht.«
    Der Capitaine zerdrückte den Becher in der Hand, ohne die Bemerkung weiter zu beachten.
    »Schließlich brauche ich noch einen Beamten als Verbindungsoffizier zwischen unseren Dienststellen. Lassen Sie das Brigadier Carrère erledigen. Kann ich jetzt sehen, was Sie gefunden haben?«
    »Kommen Sie, aber zuvor muss ich Sie noch der Ermittlungsrichterin vorstellen.«
    Wie um sich zu entschuldigen, fügte er hinzu:
    »Die Vorschriften, immer die Vorschriften.«
    Etwas abseits von den Polizisten hatte eine etwa dreißigjährige junge Frau gerade ein Notizbuch zugeklappt. Sie gingen auf sie zu.
    »Frau Richterin, der aus Paris entsandte Beamte ist eingetroffen.«
    Sie drehte sich zu den beiden Männern um, die in ein sehr hübsches Gesicht blickten. Die Hand, die Broissard ergriff, fühlte sich allerdings kalt und sehnig an.
    »Meine Herren, Sie sollten wissen, dass die Presse noch nicht unterrichtet wurde, und in Anbetracht der außerordentlichen Umstände dieses Falles möchte ich, dass sie so spät wie möglich davon erfährt. Sehen Sie darin ein Hindernis für die ordnungsgemäße Durchführung der Ermittlungen?«
    »Nein.«
    »Capitaine Broissard, aufgrund des Rufes, der Ihnen vorauseilt, verzichte ich auf ausführliche Berichte.«
    »Danke, Frau Richterin.«
    »Kommissar, das werden Sie übernehmen. Was die Anordnung von Untersuchungshandlungen und von vorübergehenden Festnahmen anlangt, werde ich mich bemühen, die entsprechenden Verfügungen schnellstmöglich auszustellen – einverstanden?«
    Die beiden Männer nickten. Broissard starrte der Richterin nach, als sie fortging, und spürte die Leere, die sie hinter sich zurückließ. Der Salzgeschmack in seinem Mund war unangenehm.
    »Wo ist die Höhle des Löwen?«, seufzte er.
    Der Kommissar deutete auf einen jungen Mann, der einen verstörten, verschlafenen Eindruck machte.
    »Er wird Sie hinführen. Zwei meiner Männer werden ...«
    »Am Tatort arbeite ich allein.«
    »Ganz, wie Sie wollen. Es hat den Anschein, als wäre diese Scheiße Ihr tägliches Brot. Wenn ich das meinen Männern ersparen kann, umso besser.«

2
Le Havre,
Sondereinheit
    »Passen Sie auf!«, sagte der junge Zöllner und deutete auf die brunnengroßen Löcher im Stahl über den Laderäumen. »Dieser Klapperkahn ist ein Wrack. Man müsste diese Schrotthaufen aus dem Verkehr ziehen.«
    Sand- und Graupelschauer peitschten das Oberdeck. Broissard band seinen Schal enger und ging vorsichtig los; er achtete darauf, sich nicht mit den Füßen im Gewirr der Kabel und Taue zu verheddern, die überall auf dem Frachter herumlagen.
    »Hier entlang.«
    Nachdem sie am Fuß der Kommandobrücke eingetroffen waren, einer in der Finsternis unheimlich aufragenden Wand, stießen sie in das Schiffsinnere vor. Sie durchquerten den Speisesaal, in dem es nach Alkohol, Fett und Zwiebeln roch, und gingen durch mehrere klapprige Türen, bis sie die Mannschaftsquartiere erreichten.
    Ein muffiger, modriger Geruch sättigte die Atmosphäre. Das Quietschen des Blechs und die Wellen am Rumpf durchbrachen die Stille. Der Bodenbelag, grünliches Linoleum, war so mürbe, dass Fetzen an den Sohlen kleben blieben. Die Kabinentüren standen offen und gaben den Blick frei auf winzige, schummrige Zellen. Alain Broissard richtete seine Taschenlampe auf ausgeblichene Poster, die die Wände überzogen.
    Ein widerlicher Geruch nach kaltem Tabakrauch und säuerlichem Schweiß stieg von den Laken auf, die zu Kugeln zusammengerollt waren. Er ging schneller, und ihm war speiübel. Sie betraten einen Fitnessraum ohne Bullaugen. In großen, staubbedeckten Spiegeln sah man die abgeblätterte Farbe, und Fotos von Brünetten mit rasierter Scham dichteten die Risse in den Wänden ab. In dem Lederüberzug der Flachbänke zeichneten die Schweißeinlagerungen die Konturen der Körper nach, die darauf gelegen hatten. Dem Dieselgestank folgend stiegen sie die Treppe
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