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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel
Autoren: Aurélien Molas
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ersten Mal dauern die Ausschreitungen so lange.«
    »So schlimm war die Lage in Frankreich schon fünf Jahre nicht mehr«, sagte Broissard, während er die apokalyptische Szene hinter der Windschutzscheibe betrachtete.
    Der Wagen glitt geräuschlos zwischen den verzweigten Gebäuden hindurch, fuhr vorbei an schwach beleuchteten kahlen Rasenflächen und die Strandpromenade entlang. Linker Hand öffnete sich die Seinemündung zum Meer, eine glatte schwarze Wand, an der die Leuchtfeuer von Supertankern und Fabrikschiffen wie aufgehängt waren.
    »Und was hältst du von diesem Fall?«, fragte Broissard und checkte nebenbei die E-Mails auf seinem Handy.
    »Das ist unbegreiflich. Diejenigen, die das getan haben, sind sehr gut organisiert. Das ist nicht ihr erster Versuch, aber das erste Mal, dass sie aufgeflogen sind.«
    Am Ende des Strandes zeichneten sich die verschwommenen Konturen des Industriehafens ab. Broissard öffnete das Fenster, und die Seeluft drang in den Fahrgastraum ein. Der Brigadier hielt auf die Docks zu und fuhr fort:
    »Wenn man Drogen schmuggeln will, macht man das heimlich. Auf dem Ärmelkanal wimmelt es nur so von Schiffen, die Schmuggelware geladen haben – meistens sind es kleine Motorboote, die unbemerkt von einem Ort zum anderen fahren. Aber hier haben sie groß aufgefahren. Verplombter Container, regulärer Frachter – echt die Härte. Als ob diese Schweinereien völlig legal wären. Was ins Auge springt, sieht man nicht, oder?«
    Alain Broissard nickte nur nachdenklich.
    Der Wagen fuhr durch die Gassen zwischen den Containerstapeln durch, die das Terminal vollkommen geometrisch durchschnitten. Im Frost erstarrte Kräne knarrten, und Transparente mit der Aufschrift »Bestreikt« baumelten über der Wasserfläche. Vier Polizeiautos standen im unheimlichen Schatten eines Frachters. Broissard atmete den Geruch nach Jod, Diesel und frittierten Speisen ein, der aus den von Rost und Graffiti überzogenen Lagerhäusern drang. Er schaute sich um und bereitete sich darauf vor, in Aktion zu treten.
    Gischt schlug ihnen ins Gesicht, als sie ausstiegen. Eine Gruppe von Polizisten notierte fieberhaft die Worte eines fülligen, etwas plumpen Mannes. Der Brigadier deutete auf ihn.
    »Das ist unser Kommissar.«
    Der Mann erblickte Broissard und eilte ihm mit kleinen Schritten entgegen.
    »Capitaine Broissard? Ich leite die Ermittlungen. Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Ja, gerne. Schwarz bitte, ohne Zucker.«
    »Zwei Kaffee, aber dalli, ohne was drin«, rief der Kommissar einem seiner Männer zu. »So was kommt hier in dieser Gegend nicht alle Tage vor. Ein Zollbeamter hat das Zeug in diesem Frachter entdeckt.«
    Broissard kniff die Augen zusammen und las in weißen Lettern auf dem von Algen überzogenen Schiffsrumpf den Namen Dolly Bell.
    »Der Junge macht seinen üblichen Kontrollgang und bemerkt, dass etwas mit der Plombe eines Containers nicht stimmt. Darum wirft er einen Blick ins Innere.«
    Der Kommissar senkte die Stimme.
    »Unter uns gesagt, glaube ich, dass es einige Zeit dauern wird, bis er sich von dem, was er gesehen hat, erholt. Nur verdammte Psychopathen sind zu so was imstande. Kurz und gut, was den Stand der Ermittlungen anlangt ...«
    »Mit Verlaub, ich habe mich durch Ihre Berichte durchgearbeitet. Unter welcher Flagge fährt das Schiff?«
    »Deutscher. Es sollte in drei Tagen wieder in See stechen.«
    Ein Polizist in Zivil brachte ihnen den Kaffee. Der Kommissar trank einen Schluck, verzog das Gesicht und warf den Becher in die schwarzen Strudel im Hafenbecken.
    »Wir vernehmen gerade die Besatzung. Einige haben gestanden, dass sie aus den Containern was mitgehen ließen, um ihre Heuer aufzubessern. Andere verticken heimlich Zigaretten oder ein bisschen Stoff. Die Kollegen vom Rauschgiftdezernat haben Cannabisharz und Crackpfeifen sichergestellt. Aber nichts, was im Zusammenhang mit dem steht, was wir im Frachtraum gefunden haben.«
    »Lassen Sie einen Ihrer Männer den ganzen Papierkram durcharbeiten. Aufzeichnungen über die geladenen Güter, Frachtbuch, Fahrtrouten, Wechsel des Schiffseigners – ich will alles über dieses Schiff wissen, wann es zum letzten Mal einen neuen Anstrich erhielt, ob sein Name geändert wurde, einfach alles. Stellen Sie Nachforschungen über den Reeder und all seine Geschäftspartner an, Schiffsausrüster, Schiffsmakler, Lagerarbeiter, ermitteln Sie die Transithändler, vielleicht ergibt sich da eine heiße Spur.«
    »Ziemliche Rackerei.«
    »Ich will eine
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