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Die Elfen von New York

Die Elfen von New York

Titel: Die Elfen von New York
Autoren: Martin Millar
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Die paar noch verbliebenen ursprünglichen Schauspieler huschten verängstigt über die Bühne, rechneten offenbar jeden Moment mit einem neuen Pennerinnen- oder Feenangriff.
    Die wenigen Zuschauer kicherten und lachten, und die drei Juroren, zwei davon lokale Künstler, wußten vor Peinlichkeit nicht, wohin.
    »Ich dachte mir ja, daß das Niveau niedrig sein würde«, flüsterten sie einander zu. »Aber das hier ist das Letzte.«
    Oben wusch sich Dinnie und zog sich hastig um. Er gähnte. Er mußte zurück ins Krankenhaus, spürte aber, wie ihn eine Welle von Müdigkeit überkam. Als sein Blick auf die Geige auf seinem Bett fiel, beschloß er, schnell was Flottes zu spielen. Das würde ihn aufmuntern.
    Er griff sich die Geige und legte eine temperamentvolle Version von ›Tullochgorum‹ hin.
    Auf der Stelle bildete sich ein Mondbogen bis unten ins Kino und schreiende Feen stürmten von allen Seiten her auf die Bühne.
    Es waren die letzten Scharmützel der Schlacht vom Central Park, die sich letzten Endes als doch nicht so wüst herausgestellt hatte. Die von Aelis mit der Gewieftheit eines geborenen Marketingstrategen verfaßten Flugblätter hatten bei den englischen Soldaten tief verschüttete Gefühle aufgewühlt. Da ihnen so lange der Zugang zu jeglichen Informationen von außerhalb verwehrt worden war, drangen ihnen die schlagenden und leicht verständlichen Argumente der Flugblätter direkt ins Herz.
    »Warum arbeiten wir zwölf Stunden am Tag für Niedrigstlöhne, wo wir es doch gewohnt waren, frei zu sein und zu tun, was wir wollten?«
    »Warum müssen wir diesen schrecklichen neuen Gott anbeten? Ich mochte unsere alte Göttin lieber.«
    »Warum lassen wir zu, daß Tala und seine üblen Schlägerbanden uns regieren?«
    »Wie kommen wir dazu, andere Feen zu bekämpfen?«
    Die festgefügten Reihen der Armee brachen auf. Es schien, als wären die Feen aus einem Alptraum erwacht und hätten plötzlich das Absurde ihrer Situation erkannt. Überall verweigerten die Infanteristen den Angriffsbefehl. Die Barone, die der Regentschaft Talas ohnehin skeptisch gegenüberstanden, mußten zusehen, wie jetzt ihre eigene Macht über ihre Hörigen zerbröckelte.
    Doch die Lage hatte sich noch lange nicht entschärft. Talas große Söldnertruppe zeigte keinerlei Neigung, überzulaufen. Ebenso die von Talas Stieftochter angeführte königliche Garde. Alles hätte immer noch auf eine Katastrophe zusteuern können, hätte Aelric, der auf einer Brise heruntergeschwebt kam, nicht den dreiblütigen walisischen Klatschmohn in Magentas Plastiktüte entdeckt und ihn sich schnellstens gegrabscht.
    »Wenn du zu uns überläufst, süße Marion«, rief er, »wenn du dich auf die Seite der aufständischen Bauern stellst, dann gehört diese seltene walisische Mohnblume mit den drei Blüten in rot, orange und gelb dir. Dann wäre deine Sammlung komplett.«
    Marion starrte gebannt auf die Mohnblume, überflog rasch das Flugblatt und lief mitsamt der königlichen Garde über. Der Kampf war vorüber und New York wieder sicher.
    Die einzigen, die nicht aufgeben wollten, waren die Söldner. Aber bald mußten auch sie einsehen, daß die Schlacht verloren war. Da es ihnen aber gegen die Ehre ging, sich zu ergeben, zauberten sie schnell einen Mondbogen herbei und traten die Flucht an.
    »Man muß sie einfach bewundern«, meinte Magenta, die ihnen nachsah. »Ein hervorragendes Söldnerheer!«
    Dinnie, der die Treppen hinunterrannte, war überrascht, daß ein solches Getöse aus dem alten Kino drang. Da er annahm, daß die Zuschauer die Bühne mit allem Möglichen bombardierten, konnte er nun doch nicht widerstehen, schnell einen Blick hineinzuwerfen.
    Ein solches Chaos hatte er allerdings noch nie gesehen. Daß er selbst es verursacht hatte, konnte er natürlich nicht ahnen. Sein ›Tullochgorum‹ hatte den Mondbogen der Söldner angelockt, und sie waren mitten in die Aufführung geplatzt, hinter ihnen die sie verfolgenden, aufgebrachten New Yorker Feen.
    Die Söldner waren schon verwirrt genug von der bizarren Schlacht in dieser fremden Stadt, und keiner hatte je eine Aufführung des ›Sommernachtstraums‹ gesehen. Kein Wunder also, daß sie tiefstes Entsetzen packte, als sie sich plötzlich von gigantischen Feen eingekreist sahen. Diese mit ihren Pappflügeln über die Bühne wetzenden Exoten konnten nichts anderes sein als die Nachhut des Feindes, sagten sie sich, machten sich in Reih und Glied sichtbar und stellten sich dem Kampf, was ihre
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