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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
Autoren: Helmut Pöll
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sondern dass die toten Körper einfach verfaulten wie ein Schinkenbrot, das man in der hinteren Ecke des Kühlschrankes vergisst. Aber irgendwie war das gruselig. Wir wollten beide kein vergessenes Schinkenbrot sein.
    Wir einigten uns dann darauf, dass es irgendwo einen Ort gäbe, wo sich dann alle wieder treffen würden. Ich stellte mir diesen Ort vor wie den norwegischen Fjord, wo wir vor drei Jahren in Urlaub gewesen sind mit einer Pension am Waldrand und langen Wanderwegen die ganze Küste entlang, wo ich stundenlang herumlaufen konnte, bis ich völlig außer Atem war und mein Fusionsreaktor zur Ruhe kam.
    Mona meinte, das sei völliger Unsinn, wenn man sich nur einmal die große Zahl der Toten vorstellte. Meine Vorstellung mit einer einzelnen Pension sei völlig naiv. Sie hatte recht und wir sprangen schreiend durch ihre ganze Wohnung. Deshalb muss der Himmel so sein wie Tokio, mit kleinen gelben Schlafkabinen mit Fernseher und CD Spieler. Aber natürlich so, dass nicht alles nur auf japanisch ist.
    Mona meinte, dass es trotz der gelben japanischen Schlafkabinen dort irgendwann verdammt eng werden müsste, außer die Toten sterben dann dort, wo sie sind, noch mal, damit wieder Platz für die Nachrücker ist. Aber das machte irgendwie keinen Sinn. Und den Gedanken habe ich für mich auch wieder verworfen, weil ich ja heimlich hoffe, dass ich irgendwann Phillipp wieder sehen werde.
    Deshalb kam mir die Idee, dass es doch so ähnlich sein könnte wie bei Gullivers Reisen. Es sollte doch kein Problem sein, dass man an diesem Ort auch kleiner ankommen könnte, sagen wir auf 10 Prozent der ursprünglichen Körpergröße geschrumpft. Das fand Mona super, denn damit wäre auf absehbare Zeit das Platzproblem mit den japanischen Schlafkabinen gelöst. Ich finde mit zehnmal so viel Schlafkabinen kommt man eine Zeit lang über die Runden. Mona sagte, was total blöde ist, ist das mit den Hunden und Katzen. Sie hätte keine Lust, sich mit ihrer Katze herumzuschlagen, wenn die dann zehnmal so groß ist. Das verstehe ich und ich hatte das einfach bei meiner Idee nicht bedacht. Deshalb schlug ich zusätzlich vor, dass Hunde und Katzen nur geduldet werden, wenn sie auch einer Schrumpfung auf 10 Prozent zustimmen. Darauf haben wir uns dann geeinigt.
    Trotzdem habe ich Angst. Das habe ich auch Mona erzählt, da hat sie mich in den Arm genommen und wusste auch nicht, was sie dazu sagen sollte.
    Ich habe ihr nämlich erzählt, dass ich dort sicher Phillipp treffen werde. Aber wenn ich als Opa sterbe, dann bin ich ja ein alter Mann und Phillipp ist immer noch ein kleiner Junge. Wie soll das denn gehen? Davor fürchte ich mich. Dass das Wiedersehen mit meinem großen Bruder einfach nur eine Enttäuschung sein könnte und er mich für einen blöden Erwachsenen hält und mich nicht mehr mag. Aber vielleicht ist es auch so, dass man einmal im Himmel das wird, was man sich ganz fest wünscht. Wenn ich als Opa sterbe, dann wünsche ich mir, dass ich im Himmel wieder ein kleiner Junge bin. Dann suche ich Phillipp, zeige ihm unsere beiden Eintrittskarten, die ich natürlich bis dahin aufhebe, und gehe endlich mit ihm in den Zirkus.
     

4
    Nach dem Abendessen wollten meine Eltern gemeinsam mit mir reden. Das verhieß nichts Gutes. Wahrscheinlich ging es um den Bombenbauer. Ich schaltete vorsichtshalber auf Alarmstufe Rot, wie bei Star Trek kurz vor dem anstehenden Angriff der Klingonen. Den Todesstern, der bei mir auf dem Schrank lag, würde ich nicht hergeben, das war nicht verhandelbar. Auch werde ich Amok laufen, wenn sie wieder meine Punkte streichen. Wenn sie das tun, dann werde ich das nächste Mal genau einhundert Mal um die Säule an der Garageneinfahrt laufen und einhundert mal zurück, bevor ich in den Wagen steige, selbst wenn meine Mutter hoch und heilig verspricht, dass sie sich um das Energie-Ungleichgewicht im Universum kümmern wird. Außerdem habe ich noch einen Trumpf. Ich kann mittlerweile zwei Minuten am Stück den Rainmain-Schrei ausstoßen, bevor ich kollabiere. Und mit dem mache ich irgendwann die blöde Glasvitrine in unserem Wohnzimmer kaputt, wo ich mir schon zweimal den Kopf angeschlagen habe, weil mein Radar sie manchmal nicht erkennt.
    Es ging tatsächlich um den Bombenbauer. Er war angeblich Rentner und verwitwet, seit seine Frau vor fünf Jahren an Krebs gestorben ist. Ich sagte, dass er das bestimmt nur zur Tarnung erzählt, wie in so einem Film von Alfred Hitchcock, wo der Spion auch als Blumenhändler
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