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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
Autoren: Helmut Pöll
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wird. Aber eine meiner Lehrerinnen ist nämlich Vegetarierin und sieht verdammt gut aus. In unserem Bekannten- und Verwandtenkreis gab es keine Vegetarier, nur Fleischfresser. Vegetarier waren für uns auf derselben Stufe wie Marsmenschen.
    Aha, Sie essen kein Fleisch? Wieso, haben Sie vergessen welches zu kaufen? Ach so, Sie essen gar kein Fleisch? Sind sie überhaupt von hier? Es ist vielleicht wirklich so wie bei „Men in Black“, dass die kleinen Männchen, die im Kopf wohnen und die Mensch-Maschine bedienen, einfach kein Schnitzel verdauen können und deshalb nur Energiesaft trinken. Aus - sagen wir - Bananen und Mango. Aber nein, Mangos mag ich nicht.
    Dann, wie es der Zufall will, stand plötzlich in allen Zeitungen, die mir in die Hände fielen, etwas von Vegetariern. In der Wirtschaftszeitung von meinem Vater und in der Illustrierten im Wartezimmer von Frau Dr. Müller-Nöllendorf auch. Wahnsinn! Ich war völlig aus dem Häuschen, wie viele Hollywood-Schauspieler Vegetarier waren. Ich wollte wissen, ob auch Alfred Hitchcock Vegetarier war, aber das wusste natürlich wieder keiner.
    Überall stand nur, warum es gut war, kein Fleisch zu essen. Und ich lernte, dass es nicht nur Vegetarier gab, sondern auch Veganer, was ich erstmal nicht verstand. Ich fragte meine Mutter nämlich, ob Veganer von der Vega seien. Das ist der Hauptstern im Sternbild Leier. Es kommt aus dem Arabischen und bedeutet „herabstoßender Adler“. Das weiß ich aus dem Astroatlas, den mir meine Eltern mal zum Geburtstag geschenkt haben, damit ich sie bei einer sternklaren Nacht nicht ununterbrochen damit löchere, was dies und das für ein Sternbild ist.
    Und herabstoßende Adler essen doch Fleisch, oder? Aber sie sollte mir nicht erzählen, dass die Veganer 20 Lichtjahre zu uns düsten, um dann nur Karotten mit Dip zu essen. Meine Mutter schaltete ab. Ich hörte richtig ein „Klick“ in ihrem Kopf, als ihr Überlastungs-Schalter umschnappte und der Notstrom anging. Sie atmete nur laut ein und aus, sah mich aus tiefen Augenringen besorgt an und fuhr dann mit mir zu unserer wöchentlichen Sitzung.
    Dreißig, neunundzwanzig, achtundzwanzig, bis Null zählte ich bei der Säulenumkreisung, dann erst stieg ich in den Wagen ein. Meine Mutter wirkte gestresst und redete kein einziges Wort mit mir während der ganzen Fahrt. Vielleicht hatte sie einen Migräne-Schub. Erwachsene haben ja oft Migräne. Das kommt, wenn das Hirn nicht mehr so leistungsfähig ist wie bei einem Kind. Dann warten die Erwachsenen auf schlechtes Wetter und bekommen Migräne. Deshalb schwieg meine Mutter.
    Aber ich erzählte weiter von der Vega und den Veganern. Vegavegavegavegavegavegavegavegavega. Heute weiß ich natürlich, dass die Veganer mit der Vega nichts zu tun haben. Zumindest ist mir das immer erzählt worden. Wenn man mich fragen würde, ob die Veganer etwas mit der Vega zu tun haben, dann würde ich heute also sagen: ich glaube nicht. Da lasse ich mir mein Hintertürchen offen. Ich glaube, das ist OK und keine Lüge. Denn richtig lügen darf man nicht.
    Eine Zeit lang war ich wie im Fieber mit den Vegetariern. Vielleicht könnte ja Frau Dr. Müller-Nöllendorf etwas dazu sagen. Aber ganz tief drin wusste ich natürlich, dass die trübe Tasse nichts sagen würde, was mir weiterhalf. Aber versuchen wollte ich es.
    „Frau Doktor?“
    „Ja!?“
    „Sind sie Vegetarier?“
    „Bitte?“
    „Ich habe gefragt, ob sie Vegetarier sind?“
    Sie hielt ihren Fragebogen fest und sah mich dann ganz durchdringend an.
    Vegavegavegavegavegavegavegavegavega. Menschen komisch. Stopp. Essen Tiere. Stopp. Bitte um weitere Anweisung. Stopp. Vegavegavegavegavegavegavegavegavega. Jetzt wäre eigentlich ganz laut das Ausatmen von Darth Vader fällig, aber ich hatte die CD nicht dabei. Auch bin ich mir nicht sicher, ob Frau Dr. Müller-Nöllendorf das Pressluftatmen von Darth Vader gutheißen oder ein Minus auf meinen Fragebogen dieser Woche kritzeln würde.
    Bei Psychologen muss man auf der Hut sein. Das habe ich von meinem Vater gelernt. Mein Vater sagt nämlich, dass Psychologen selber alle einen an der Waffel haben. Dann ballt er die Faust und macht eine kreisförmige Bewegung vor seiner Stirn. Damit will er andeuten, dass bei denen im Oberstübchen selber viele Dinge durcheinander sind. Warum ich dann aber jede Woche zu jemandem gehen muss, der selber einen an der Waffel hat, konnte er mir nicht erklären.
    „Hmm, ich verstehe, was du meinst.“
    „Ja oder Nein? Das ist
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