Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
Autoren: Helmut Pöll
Vom Netzwerk:
wieder essen dürfen. Meine Mutter hat Würstchen gebraten und dazu gibt es Vollkornbrot. Und hinterher für jeden eine Brausesprudel-Tablette mit hunderttausend Vitaminen. Salat gibt es nicht. Es hat sich nämlich immer noch nichts gebessert bei mir. Wenn in meiner Nähe jemand Salat mit Tierpipi isst, dann kann ich gar nichts essen.
    Deshalb hat mich das letzte Mal auch mein Vater zu Frau Dr. Käfer gebracht, weil er ihr sagen wollte, dass sie sich zuerst darum bei mir kümmern soll. Er stellt sich wahrscheinlich vor, dass Frau Dr. Käfer sowas wie eine Automechanikerin für kaputte Kinder ist, die sich aussuchen kann, ob sie zuerst den löchrigen Auspuff oder die gesprungene Windschutzscheibe tauscht. Sie muss nur irgendwo einen Deckel aufschrauben. Also gut, dann tauschen wir eben das kaputte Tierpipi-Modul zuerst. So, das hätten wir dann wieder.
    Mein Vater hat einfach keinen Bock jetzt immer Brausesprudel-Tabletten wegen der Vitamine zu nehmen anstatt Salat. Aber sie hat nur ein „Jaja“ geknurrt und ihn mit diesem „Rutsch-mir-den-Buckel-runter“-Blick angesehen und dann zur Türe rausgeschoben, weil sie mit unserer Sitzung anfangen wollte.
    Aber jetzt sagt mein Vater, dass Frau Dr. Käfer „uns“ hinhält. Sie meinen damit bestimmt, dass ich eine gute Zeit bei Frau Dr. Käfer habe, viel besser als bei Frau Dr. Müller-Nöllendorf. Und das stimmt ja auch, alleine schon wegen Mr. Tinkles und dem Erdbeerkuchen, den sie immer für mich kauft. Aber es gibt eben kein Ergebnis, mit dem mein Vater zufrieden wäre. Machen Sie dies, machen Sie das und wenn es nicht klappt, dann melden Sie Konkurs an. Kinder sind bestimmt noch schwieriger als kaputte Firmen. Bei Kindern kann man nämlich keinen Konkurs anmelden.
    Die Würstchen sind todeslecker und brennen wie Hölle im Mund, wenn man zuviel scharfen Senf nimmt. Aber ich mag scharfen Senf so gerne. Manchmal esse ich ihn auch ohne Würstchen. Was noch brennt, sind die Zirkuskarten, die ich in einem Gefrierbeutel mit Pflaster auf meinen Bauch geklebt habe. Aber weil ich so viel geschwitzt habe klebt das Pflaster nicht richtig und geht an ein paar Stellen ab. Dann klebt es wieder fest und geht wieder ab und klebt wieder fest und geht wieder ab. Hunderttausend mal. Und das ziept. Normalerweise stört mich sowas so sehr, dass ich fast wahnsinnig werde. Aber diesmal lasse ich sie noch ein paar Stunden auf meinem Bauch, damit ich mich verabschieden kann, weil ich sie ja nie wieder dorthin kleben werde.

32
    Jetzt weiß ich nämlich endlich, was ich mit meinen Zirkuskarten machen werde. Eigentlich weiß ich es schon seit ein paar Tagen, aber dann habe ich Panik bekommen und mich vor meiner eigenen Idee gefürchtet.
    Aber heute mache ich es, denn heute ist Sonntag und wenn ich es heute nicht mache, dann muss ich wieder eine ganze Woche warten. Ich war so aufgeregt, dass ich die ganze Nacht nicht geschlafen habe. Ob das stimmt, weiß ich aber nicht, weil meine Mutter immer sagt, dass ich schlafe wie ein Stein. Nach dem Frühstück habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich zu Mona fahre, weil Monas Mutter mit uns in die Stadt gehen will und später noch mal ins Schwimmbad. Aber das war geschwindelt. Also nicht ganz geschwindelt, weil ich ja schon zu Mona fahren will. Aber nicht gleich. Vorher muss ich noch zu Serrano.
    Er hat auch gleich aufgemacht. Ich glaube er hat mich erwartet. Auf jeden Fall hat er nicht gesagt:
    „Oh, was machst Du denn hier?“
    Wir sind dann gleich in die Küche an den Tisch geschlurft und haben uns gesetzt. Also er ist geschlurft. Und ich bin gehopst, weil ich so aufgeregt war.
    Ich habe die beiden Zirkuskarten vor Serrano auf den Tisch gelegt. Serrano hat sie ganz vorsichtig genommen, so wie eine alte Papyrusrolle mit der Unterschrift vom Pharao, die gleich zu Staub zerfällt, wenn man aus Versehen niest.
    Dann habe ich ihm erzählt, dass Phillipp und ich zu den Elefanten in den Zirkus gehen und dass wir ganz vorne sitzen wollten. Wir sind aber nicht in den Zirkus gekommen, weil Phillipp an dem Abend totgefahren worden ist und meine Mutter ihn die Böschung hochgetragen hat und jetzt keine Mäntel mehr anziehen kann. Wegen dem Blut eben, an das sie sich immer erinnert.
    Serrano hat gar nichts gesagt, sondern mich immer weiterreden lassen. Er ist nur einmal aufgestanden und hat mir ein Glas Johannisbeersaft gebracht. Das habe ich in einem Zug ausgetrunken und Serrano hat mir gleich ein zweites Glas geholt. Aber gesagt hat er nichts, er hat mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher