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Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Die Elefanten meines Bruders (German Edition)

Titel: Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
Autoren: Helmut Pöll
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losgezogen, aber eben nicht ins Schwimmbad, obwohl es mörderheiß war. Ich habe es mir nicht gleich wieder anders überlegt, sondern bin planlos durch den Park gefahren. Ich musste ein paar Mal in meinem Kopf herumspulen, aber dann habe ich die Stelle wieder gefunden, wo wir damals Rad fahren geübt haben. Das heißt eigentlich habe nur ich geübt, weil Phillipp ja schon ohne Stützen fahren konnte. Der Weg ist noch genauso wie damals, nur ein grüner Papierkorb ist aufgestellt worden und ein Spender mit Kack-Tütchen für die Hundebesitzer.
    Ums Eck ist immer noch der Kiosk. Dort habe ich mir dreimal ein Eis gekauft. Denn ich habe immer gesagt, jetzt muss ich gehen, dann bin ich aber noch zweimal zurück. Immer Pistazie, sogar mit extra Sahne, aber es hat mir nicht geschmeckt.
    Eigentlich wusste ich gar nicht, wo ich hinwollte, aber das störte mich auch nicht. Ich bin einfach nur immer weiter geradelt und habe gehofft, dass ich bald müde werde, damit ich heimfahren und mich hinlegen kann und mir nicht überlegen muss, was ich sonst mit mir anfangen soll.
    Überall im Park hingen an den Zäunen die Zirkusplakate mit den Elefanten wie in dem Buswartehäuschen, in dem sich Phillipp und Miguel kennengelernt haben. Es ist der gleiche Elefant, der mir einen roten Punkt auf die Stirn gemalt hat. Das heißt eigentlich ist das Plakat gar kein Foto, sondern nur eine Zeichnung. Also wenn man ehrlich ist, dann sieht man überhaupt nicht genau, ob es jetzt der eine Elefant war oder ein anderer. Aber das ist auch nicht so wichtig. Aber er hält einen Pinsel im Rüssel in der Hand und schaut so seitlich aus dem Plakat und plötzlich meinte ich, dass er wieder sagt: „viele Grüße von Phillipp.“
     
     
     

31
    Dann war ich doch müde. Ganz plötzlich. Vielleicht weil mir plötzlich eingefallen ist, dass ich schon stundenlang durch den glühenden Park geradelt bin ohne irgendwas zu trinken und vor allem ohne dass mich die teure Sonnencreme vor der Universum-Strahlung schützte. Diesmal würde mich die Universum-Strahlung total platt machen. Ich würde mich vielleicht sogar auflösen. Oder teilweise zumindest. Ich weiß aber nicht mehr, wo man zuerst durchsichtig wird, am Kopf, an den Armen oder den Beinen. Mein Magen knurrte und plötzlich war die Universum-Strahlung nicht mehr so wichtig. Jetzt hatte ich auch so viel Durst wie ein Astronaut, der tagelang alleine in der Umlaufbahn von irgend so einem blöden Planeten dahintreibt, weil ihn seine Kumpanen vergessen haben.
    Ich hetzte wie ein Bekloppter die Stufen zu unserer Wohnung hoch. 137. So viele Stufen müssten es jedenfalls sein. Aber ich habe mich irgendwo verzählt und kam nur bis 135, deshalb musste ich noch mal runter und von vorne anfangen, sonst setzen sich die zwei fehlenden Stufen in meinem Gehirn fest wie ein Blutegel und mein System läuft irgendwann im Lauf des Abends in den roten Bereich. Ich habe höllisch aufgepasst und kam auch bis 137, war aber oben völlig fertig. Dann warf ich die Haustüre ins Schloss, schaltete auf Notstrom und schlurfte energiesparend in die Küche.
    Schlurfen tun nur ältere Leute, sagt meine Mutter. Schlurfen ist nämlich total praktisch, weil man nicht so viel Energie braucht, um seine Füße bei jedem Schritt ganz vom Boden aufzuheben. Manchmal, wenn ich Energie sparen will, in der Stadt oder so, dann schlurfe ich deshalb auch. Das darf aber meine Mutter nicht sehen, weil sie sonst mit mir schimpft. Sie denkt dann, dass ich mich über ältere Leute lustig mache. Aber das stimmt nicht. Und wenn ich ihr sage, dass ich nur im Energiesparmodus bin, dann glaubt sie mir das nicht. Bei uns in der Wohnung gibt es keine älteren Leute, deshalb muss es doch OK sein, wenn ich es hier mache, oder?
    „Heb die Füße beim Gehen“, rief meine Mutter.
    „Geht nicht, ich muss Energie sparen. Mein Akku ist fast leer.“
    Sie seufzte und mein Vater schaute kurz von seiner Zeitung auf und warf mir einen bösen Blick zu. Aber sie sagen dann nie was, weil sie ja wissen, dass ich recht habe. Ich weiß zum Beispiel alles darüber, wie lange ein imperialer Schlachtkreuzer mit kaputtem Triebwerk noch dahinsausen kann, bevor es richtig übel wird. Und mit dem Notstrom bei anderen Systemen kenne ich mich auch ganz gut aus. Jedenfalls besser als meine Mutter, sogar besser als mein Vater, obwohl der Berater ist.
    Aber ich glaube meine Eltern sind gar nicht so sehr wegen meiner Notstrom-Schlurferei angepisst, sondern wegen dem Salat, den sie noch nicht
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