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Die eisblaue Spur

Die eisblaue Spur

Titel: Die eisblaue Spur
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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Dorf gekommen und hätten ihnen erzählt,
dass sie sich womöglich mit einer gefährlichen Krankheit
infiziert hätten. Sie sollten sich ruhig verhalten,
während jemand von Haus zu Haus gehen und sie untersuchen
würde. Die Frau klang völlig verängstigt. Die
Männer hätten Masken getragen und sich merkwürdig
verhalten. »Oqqapia, ich muss Sie um einen Gefallen bitten.
Das könnte Naruana und vielleicht sogar seinen Vater
retten.«
    »Was? Naruana hat
niemanden umgebracht. Er geht doch noch nicht mal mehr auf die
Jagd.«
    »Sie müssen Igimaq
finden und ihm ein paar Fragen stellen. Ich glaube, er weiß
etwas, das Naruana vor einem längeren Gefängnisaufenthalt
bewahren kann.« Schweigen. »Oqqapia, bitte, es ist
wichtig! Ich bin mir nicht sicher, ob er mit der Polizei spricht,
falls die ihn überhaupt findet. Er wird viel eher mit Ihnen
reden, und wenn Sie ihm die Sache erklären, dann geht er
vielleicht danach von sich aus zur Polizei.«
    Oqqapia antwortete unsicher und
zögernd: »Er will nicht mit mir reden. Ich habe ihn nie
persönlich kennengelernt. Er würde mich nie als
Schwiegertochter akzeptieren.«
    »Bitte, Sie müssen
ihm klarmachen, dass er seinem Sohn helfen kann. Nur er allein. Sie
müssen zu ihm gehen und ihn fragen, woher er wusste, wo die
Leiche der Frau aus dem Camp gelegen hat, ob er gesehen hat, wie
sie getötet wurde – und von wem.«
    »Hm, ich weiß nicht.
Wie soll ich denn zu ihm kommen? Ich darf ja nicht
weg.«
    »Schleichen Sie sich
heimlich weg und leihen Sie sich bei den Nachbarn einen
Motorschlitten. Sie sollen ja nur zu Hause bleiben, damit Sie
niemanden anstecken können – falls Sie sich
überhaupt infiziert haben. Achten Sie nur darauf, dass Sie
Igimaq nicht anhusten oder berühren. Ich glaube, dass er schon
in Kontakt mit dieser Krankheit gekommen ist und sie überlebt
hat. Er wird sich nicht anstecken.« Igimaq musste seine
Tochter bei der Bestattung berührt haben. Usinna war
höchstwahrscheinlich an derselben Krankheit wie die
Bohrmänner gestorben, ob es nun die Spanische Grippe oder
etwas anderes war.
    Am Ende versprach Oqqapia, dass
sie versuchen würde, den alten Jäger zu
finden.
    Vier Stunden später
klingelte Dóras Handy. Ihre Tochter Sóley hatte in
der Zwischenzeit zweimal angerufen, weil sie ihre Mama vermisste.
Dóra erzählte ihrer Tochter von der Kälte und dem
vielen Schnee in Grönland, woraufhin Sóley sofort die
Schneemenge in Schneemänner umrechnen wollte. Dóra
schlug eine Million und vierzehn Stück vor – nur aus dem
Schnee, den sie durchs Fenster sehen konnte. Das Telefonat mit
Oqqapia war wesentlich ernster. Sie hatte unbemerkt mit einem
Motorschlitten aus dem Dorf entwischen können.
    »Ich habe ihn gefunden,
Dóra. Er war in seinem Zelt. Die Hunde wollten mich nicht
zum Eingang lassen. Sie hätten mich bestimmt mit Haut und
Haaren verschlungen, wenn sie nicht angeleint gewesen
wären.«
    »Und er hat mit Ihnen
gesprochen? Was hat er gesagt?«
    »Er hat die Leiche der
Frau unter einem der Häuser im Camp gefunden. Er hat sie an
einen Ort gebracht, wo die Füchse nicht an sie
rankamen.«
    »Unter einem Haus? War sie
vergraben?«
    »Nein, er hat gesagt, dass
man unter die Häuser kriechen kann. Die Leiche war da drunter
versteckt. Sie wäre mindestens bis zum Frühjahr von
Schnee bedeckt gewesen.« 
    »Aber wie konnte er dann
wissen, dass sie dort war?«
    »Er hat gesehen, wie sie
dorthin gebracht wurde. Er war an dem Abend im Camp, weil er
verhindern wollte, dass die Bergbauarbeiten auf das verbotene
Gebiet ausgeweitet werden. Er hat versucht, einen alten Zauber
durchzuführen, hat eine Maske aufgesetzt und mit dem Blut
einer Seehundflosse die Geister der Vorväter um Hilfe
angerufen, aber ohne Erfolg. Anschließend hat er gesehen, wie
sich jemand aus dem Camp in ein Auto vor dem Bürogebäude
gesetzt und dort unauffällig gewartet hat. Igimaq wollte
wissen, was es damit auf sich hatte, und ist noch geblieben. Als
die Frau dann aus dem Büro gekommen ist, ist die Autotür
aufgegangen, die Person ist hinter ihr hergerannt und hat sie mit
einem schweren Gegenstand auf den Hinterkopf geschlagen. Mit einem
Hammer oder so. Es war wohl inzwischen ziemlich windig, und bei dem
aufwirbelnden Schnee konnte Igimaq nicht viel sehen, aber er ist
sich sicher, dass es kein Unfall war.«
    Dóra schluckte.
»Hat er den Mann gut genug gesehen, um ihn beschreiben zu
können?«
    »Ja. Die Person ist
ziemlich lange stehen geblieben, nachdem sie das Opfer
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