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Die Eingeschworenen Raubzug

Die Eingeschworenen Raubzug

Titel: Die Eingeschworenen Raubzug
Autoren: Low Robert
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Dunkeln war sein Gesicht eine einzige graue Fläche, die keine Regung verriet. Aber er fuhr fort: »Ein Marsch durch den Schnee ist nicht so schlimm. Immer noch besser, als hier zu sein, wenn Rurik ankommt.«
    »Wenn du das glaubst, dann geh du doch und ich bleibe hier«, erwiderte ich bitter und erwartete ein sarkastisches Lachen und eine brummige Antwort. Stattdessen, und zu meiner großen Überraschung – und zu seiner eigenen wohl auch, dachte ich später –, legte er mir die Hand auf die Schulter.
    »Es ist besser so, Junge. Was Rurik mitbringt, dürfte schlimmer sein als eine erfrorene Nase.«
    Das machte mir Angst und ich musste weiterfragen. Seine Augen blitzten in der Dunkelheit.
    »Ich spreche von Einar dem Schwarzen und seinen Männern«, sagte er in einem Ton, der jede weitere Erklärung überflüssig machte.
    Ich lachte, aber ich hörte selbst, wie unecht es klang. »Wenn er kommt.«
    Ich sah ihn an und auch er sah mich an und beide wussten wir, dass es die Wahrheit war. Mit mir war es wie mit dem weißen Bären: Er gehörte einem anderen, der ihn nicht wollte, und er fiel zur Last. Vielleicht, so hatte ich dort im Stall gedacht, würde mein Vater die Nachricht gar nicht bekommen. Und selbst wenn er sie bekam, vielleicht würde er sich nicht darum scheren …
    Mein Vater unterbrach meine Erzählung mit einem
Brummen, als hätte ihn jemand in die Rippen gestoßen. Aber als ich sein ärgerliches Gesicht sah, schämte ich mich, dass ich diesen Zweifel ausgesprochen hatte.
    Ich fuhr fort und sagte ihm, dass ich keine Gewissensbisse hatte, als ich Bjarnis Schwert an mich nahm. Und auch nicht wegen der großen Menge Salz, noch wegen der anderen Vorräte, mit denen ich mich reichlich versorgte. Scheiß auf Björnshafen. Scheiß auf Gudleif und seine beiden Söhne.
    Hier musste mein Vater grinsen.
    Bjarnis Schwert mitzunehmen, fiel mir da schon schwerer, denn ein Schwert ist etwas, das man nicht ohne Not stiehlt. Es war wertvoll, und mehr noch, es war das Zeichen eines Kriegers und eines angesehenen Mannes.
    Die Griechen in Konstantinopel – die sich Römer nennen, aber kein Latein sprechen – denken, dass alle Nordmänner Dänen sind, und dass alle Dänen in Kettenhemden und mit Schwertern kämpfen. In Wahrheit haben die meisten von uns nur einen Sax, eine Art Küchenmesser, so lang wie ein Unterarm. Damit kann man ein Huhn schlachten, einen Fisch ausnehmen – oder einen Menschen töten.
    Man lernt, damit umzugehen, denn Kettenhemden sind für die meisten unerschwinglich.
    Jeder gute Hieb tötet, wenn man nicht ausweicht, und du blockst einen Hieb nur ab, wenn es unbedingt notwendig ist, damit die Klinge deines kostbaren Sax’ keine Scharten bekommt.
    Ein Schwert dagegen war ein magischer Gegenstand, dem man sich nur mir Ehrfurcht näherte. Doch ich nahm das Schwert des toten Bjarni aus Bosheit, nahm es einfach vom Haken in der Halle, während Gudleif im Schlaf
grunzte und furzte. Am anderen Morgen brach ich in aller Frühe auf, ehe er merkte, dass es fehlte.
    Bjarni würde es sicher merken, aber ich machte selbst meinen Frieden mit ihm und betete zum großen, starken Thor um Fürsprache. Dann fügte ich noch ein Gebet an Odin hinzu, der mit den kürzlich Gestorbenen sprach, denn er hatte selbst neun Nächte an der Weltesche gehangen, um die geheime Weisheit zu erlangen. Danach noch ein Gebet zu Jesus, dem weißen Christus, der wie Odin ebenfalls an einem Baum gehangen hatte.
    »Das war richtig und gut überlegt«, unterbrach mein Vater den Bericht. »Man kann nie genug Hilfe von oben haben, selbst wenn diese Christus-Anbeter ein komischer Haufen sind. Sie sagen, sie wollen nicht kämpfen, und doch sind sie sehr wohl imstande, Krieger mit scharfen Klingen auszuschicken. Was das Schwert anbelangt – naja, Bjarni braucht es nicht mehr, und Gudleif – ; ihm sollte es gleichgültig sein. Am besten fragst du Einar. Er wird dir erlauben, es zu behalten, nach allem, was du getan hast.«
    Ich schwieg. Wie konnte ich ihnen sagen, was ich getan hatte? Dass ich mich vor Angst bepisst hatte. Dass ich gerannt war und Freydis sterbend zurückgelassen hatte.
    Beim ersten Anblick dieser riesigen Bärenspuren im Schnee, vielleicht zwei Wochen, nachdem ich mich zu ihrem Hof durchgekämpft hatte, hatte Freydis die Türen verrammelt und verriegelt. An dem Abend, als er kam, hatten wir beim Schein der Glut im Feuerloch Suppe und Brot gegessen und dem Knarren der Balken und dem Rascheln des Strohs in den Stallungen
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