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Die Eingeschworenen Raubzug

Die Eingeschworenen Raubzug

Titel: Die Eingeschworenen Raubzug
Autoren: Low Robert
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Wind, der die Balken der Häuser von Björnshafen oft erzittern ließ.

    Geduldig saß sie da und ihr kleiner viereckiger Webrahmen klapperte, während sie bunte Bänder aus Wolle webte und meine kindlichen Fragen beantwortete.
    »Rurik kam nur einmal zurück und brachte ein weißes Bärenjunges mit«, so hatte sie erzählt. »Dein Vater sagte, Gudleif solle es für ihn großziehen und dass es ein Vermögen wert sei – und das war auch so. Aber natürlich blieb Rurik nicht lange genug, bis es so weit war. Immer mit der nächsten Flut wieder fort, so war er. Er war einfach nicht mehr derselbe, nachdem deine Mutter gestorben war.«
    Und nun war er hier, wie ein Wal, der sich aus dem Meer an Land geworfen hatte.
    Ich sah in sein braunes Gesicht, und da man sagte, wir sähen uns ähnlich, versuchte ich, es schöner zu finden, als es wahrscheinlich war. Er war von mittelgroßer Gestalt, das Haar jetzt silbern, das Gesicht von Wind und Wetter gegerbt und mit kurz geschnittenem Bart. Doch unter den dichten Augenbrauen, die herunterhingen wie Spinnenbeine, lachten seine Augen, selbst wenn er besorgt war.
    Und was sah er? Einen Knaben, groß für sein Alter und mit breiten Schultern, der kindlichen Schmächtigkeit längst entwachsen, mit rotbraunem Haar, das ihm über die Augen fiel, wenn es nicht von jemandem mit einer Schere gestutzt wurde. Halldis hatte dies getan, solange sie noch lebte, aber seit sie an der Hustenkrankheit gestorben war, hatte niemand sich mehr darum gekümmert.
    Ich sah ihn an mit denselben blauen Augen, wie er sie hatte, und betrachtete seine aufgeworfene Nase, und mit einem leichten Schrecken musste ich denken, dass ich auch einmal so aussehen würde.

    »Du bist also doch gekommen«, sagte ich und kam mir im selben Moment recht dumm vor, denn es war ja offensichtlich, dass er gekommen war. Und er war nicht allein gekommen. Hinter ihm sah ich die Schiffsbesatzung, der er angehörte, Männer mit ernsten Gesichtern, die im Bootshaus von Björnshafen vorübergehend Quartier bezogen hatten. Gunnar Raudi hatte mich vor ihnen gewarnt.
    »Warum sollte ich nicht kommen?«, erwiderte er schmunzelnd.
    Wir wusste beide die Antwort auf diese Frage, aber mir wäre es lieber gewesen, er oder ich hätte sie laut ausgesprochen.
    »Wenn ein Mann erfährt, dass seinem Sohn Gefahr droht … nun, dann muss man als Vater handeln«, fuhr er fort, das Gesicht wie versteinert.
    »Richtig«, sagte ich, wobei es mir durch den Kopf ging, dass er sich damit allerdings reichlich Zeit gelassen hatte und dass zehn Jahre mehr als eine kurze Verschnaufpause waren auf der Reise zu seinem Sohn. Aber ich schwieg, denn ich sah in seinen Augen ehrliche Verwunderung darüber, dass ich annehmen konnte, er würde mir nicht zur Hilfe eilen.
    Erst später, als ich älter und erfahrener war, sollte mir klar werden, dass Rurik seiner Pflicht, für meine Erziehung zu sorgen, genau so gut nachgekommen war wie andere Väter, ja sogar besser als die meisten. Doch jetzt, als ich diesen unbekannten Mann betrachtete, diese grobknochige Gestalt, umgeben von seinen wilden Gesellen, und daran dachte, dass er es war, der mich zurückgelassen hatte, ohne seither auch nur einmal von sich hören zu lassen, geriet ich darüber so in Wut, dass ich kein Wort herausbrachte.

    Er deutete es allerdings falsch, dachte wohl, es sei das freudige Wiedersehen, das mir die Sprache verschlug, oder das schreckliche Erlebnis, das hinter mir lag – der Marsch durch den Schnee, der Kampf mit dem Bären. Er nickte jedenfalls nur und lächelte.
    »Wer hätte gedacht, dass dieses verfluchte Bärenjunge einmal solch einen Ärger machen würde«, sagte er nachdenklich und rieb sich das Kinn mit seinen schwieligen Fingern. »Ich hatte es damals von einem Händler aus Gotland gekauft, der sagte, er habe es von einem Finnen. Ich wollte es eigentlich in Irland wieder verkaufen, es hätte einen schönen Pelzumhang für einen Jarl abgegeben, vielleicht hätte es jemand gezähmt, aber Gudleif, dieser Neiding, lässt es laufen. Tölpel. Nicht auszudenken! Fast hätte ich jetzt dadurch meinen Sohn verloren.«
    Gudleif hatte damals geflucht, abwechselnd auf seinen Bruder, auf den Bären und auf den, den er im Verdacht hatte, dass er den Bären hatte laufen lassen. Das Tier war für seinen Käfig zu groß geworden, also hatte man es draußen angebunden und ihm haufenweise guten Hering zu fressen gegeben. Aber schließlich hatte sich der Thrall gefürchtet, auch nur in seine Nähe zu
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