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Die Eifelgraefin

Die Eifelgraefin

Titel: Die Eifelgraefin
Autoren: Petra Schier
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erzogen worden, und eine solche ließ sich ihr Unwohlsein nicht anmerken. Erst als sie mit ihrem Gesichtsausdruck vollkommen zufrieden war, legte sie den Spiegel beiseite und machte sich selbst auf den Weg hinunter zur Kapelle.
    ***
    «Nun mach schon, Mädchen. Steig endlich auf! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.» Der Ritter Bertram Aurich ließ sein Pferd vor Luzia tänzeln. An einem langen Strick führte er einen Esel mit sich, auf dessen Rücken zwei kleine Bündel festgeschnallt waren, die Luzias wenige Habseligkeiten enthielten.
    Rasch umarmte sie noch einmal ihre Mutter, ihren Vater und die beiden jüngeren Geschwister. Zuletzt gab sie ihrer Großmutter einen Kuss auf die Wange, dann kletterte sie mit ihres Vaters Hilfe auf den Rücken des Esels. Sie war noch immer ganz benommen und wusste gar nicht, wie ihr geschah. Herr Bertram war erst vor zwei Stunden in Blasweiler eingetroffen und hatte ihren Vater zu sprechen verlangt. Hein Bongert hatte zunächst gedacht, es ginge um die diesjährige Zahlung des Zehnten, obgleich es dafür eigentlich noch zu früh im Jahr war. Die Abgabe an den Grundherrn, ebenso wie die Pacht für den Hof, wurde normalerweise erst zu Martini fällig. Und der Ritter hatte ihn auch gleich beruhigen können und ihm dann ein unglaubliches Angebot gemacht. Luzia, mit ihren siebzehn JahrenHeins älteste Tochter, sollte gegen Lohn als Magd für die Tochter irgendeines Grafen auf die Kempenicher Burg kommen. Eine solche Stellung war begehrt, vor allem für ein Mädchen, für das derzeit keinerlei Aussichten auf eine Heirat bestanden. Hein hatte dem Vorschlag natürlich mit Freuden zugestimmt, und Luzia schwankte nun zwischen Begeisterung und Panik. Allein hatte sie ihr Elternhaus noch niemals verlassen. Sie war zwar schon mehrmals in Kempenich gewesen, weil dort eine Tante von ihr wohnte und sie mit ihrer Mutter schon Eier und Kohl auf dem Markt verkauft hatte, doch auf der Burg war sie selbstverständlich noch niemals gewesen. Und ohne ihre Eltern und Geschwister hatte sie auch noch nie auskommen müssen.
    Doch ihre Mutter hatte ihr Mut gemacht und gesagt, dass es ein großer Glücksfall für sie alle sei.
    Bertram nahm den Strick fester und wendete sein Pferd, doch bevor sich der Esel ebenfalls in Bewegung setzen konnte, kam Luzias Mutter noch einmal zu ihnen gerannt. «Wartet!», rief sie. «Ich möchte dir noch etwas mitgeben, Luzia!»
    Bertram zügelte sein Pferd, und Traud Bongert drückte ihrer Tochter ein weiteres kleines Bündel in die Hand. «Etwas für unterwegs», flüsterte sie ihr mit einem Zwinkern zu. «Und unser Glücksbringer. Du weißt schon, das alte Silberkreuz.»
    Luzia hatte plötzlich einen Kloß im Hals. «Danke, Mutter. Aber ich gehe doch nicht weit fort. Wir werden uns bestimmt oft sehen.»
    «Ich weiß, Kindchen. Aber sicher ist sicher.» Traud reckte sich und tätschelte ihr mit ihrer rauen Hand dieWange. «Gott und alle Heiligen seien mit dir, mein Mädchen. Und betrage dich gut!» Dann trat sie zurück, und Bertram ruckte an dem Strick, damit der Esel ihm endlich folgte.
    Luzia band das kleine Bündel an den anderen beiden fest und umklammerte dann hastig die kurze zottige Mähne, als Bertram sein Pferd in leichten Trab fallen ließ und der Esel gezwungenermaßen ebenso schnell folgte.
    ***
    Der Messe in der Burgkapelle wohnten nicht nur Simons Familie, sondern auch zahlreiche Dienstboten sowie einige Ritter bei, die Elisabeth am Vortag noch nicht gesehen hatte. Vermutlich verrichteten sie Wach- und Zolldienste für Simon. Sie selbst saß auf einer sehr schmalen Holzbank zwischen den beiden anderen Edeljungfern und den beiden Knappen, die Simon auf der Burg erzog. Nur Johann von Manten ließ sich nicht blicken, was Elisabeth nicht weiter verwunderte.
    Die Messfeier war weniger erbaulich, als sie gehofft hatte. Bruder Georg, der seitlich neben ihr stand, schien ebenfalls nicht sehr begeistert.
    Vater Ambrosius, der Pfarrer von Kempenich, war ein kugelrunder Mann mit schütterem Haar, das sich auf seinem Hinterkopf bereits so weit gelichtet hatte, dass er sich keine Tonsur mehr zu scheren brauchte. Offenbar litt er unter den Folgen eines Zechgelages, und der schale Geruch nach Bier, der ihm entströmte, war bis zu Elisabeths Platz wahrzunehmen. Ob es an seinen Kopfschmerzen lag oderan seiner geringen Bildung, wusste Elisabeth nicht einzuschätzen, doch ihrem geschulten Ohr fiel auf, dass er die lateinischen Formeln der Liturgie nur unvollständig und teilweise
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