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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen
Autoren: Unbekannt
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einfach formuliert wie denkbar schwer umzusetzen.
     Sie lautete: Eintreibung der jährlichen Nordmarksteuer.
     Seine Aufgabe war einfach, weil sich das fällige Zehntel schnell berechnen ließ. Äußerst schwierig gestaltete sich jedoch die Umsetzung, da das zur Steuer verpflichtete Volk sich immer wieder gegen die erzwungenen Abgaben wehrte.
     Graf Dietrich selbst war ein wahrhafter Meister des Intrigenspiels, besonders wenn es um die Eintreibung der Tribute ging. Wie eine gefräßige Spinne webte er sein weitreichendes Netz aus klebrigen Fäden von süßen Versprechungen und gemeinen Lügen. Da es bei den Slawen jedoch als ein ehernes Gesetz der Ehre galt, dass ein einmal gegebenes Wort mit dem Leben verpfändet wurde, konnten sie die hinterhältigen Ränke des Markgrafen einfach nicht durchschauen. So gelang es dem Edlen, seine Widersacher meist mit den schönsten Beteuerungen gefügig zu machen, auch wenn er sie nie erfüllte. Wenn dieser Weg jedoch in eine Sackgasse führte, wurden die Probleme rigoros mit Feuer und Schwert aus der Welt geschafft.
     So einfach war das für ihn.
     Diesmal sollte sich der Markgraf jedoch gehörig verzetteln und sich in seinem eigenen Netz verfangen. Noch am selben Abend würde er den Stein ins Rollen bringen, der zu einem der größten und erfolg reichsten Slawenaufstände in der deutschen Geschichte führen sollte …
     
    Während Otto der II. gerade zu einem hochoffiziellen Besuch auf der Burg des Markgrafen weilte und mit seinen Lehnsherren speiste und trank, fand in einem der etwas abseits gelegenen Gemächer ein scheinbar harmloser Dialog statt. Eine an und für sich unbedeutende Anekdote wurde zum Besten gegeben. Zum reinen Zeitvertreib gedacht, sollte sich das nun folgende Gespräch jedoch gravierend auf den weiteren Verlauf dieser Geschichte auswirken:
     »Ach Starislav, erzähle mir doch noch einmal die Sage von dem Riesenmädchen und der Insel«, bettelte der gerade erst 7-jährige Thietmar und blickte den alten gebeugten Greis mit leuchtenden Augen an.
     »Aber junger Herr, ich habe doch schon so oft …«
     »Stari, bitte noch einmal!«, forderte der kleine Junge erneut und klatschte aufgeregt mit den Händen. Das schmächtige Kerlchen hinkte lustig auf einem Bein um den alten Slawen herum, während der vom Gliederreißen Geplagte steifbeinig zu einem steinernen Sockel schlurfte.
    Beschwörend hob er die Arme, murmelte ein unverständliches Stoßgebet und ließ sich schwerfällig nieder. Seinen groben Schulterumhang eng um den Leib gezogen, versuchte er die eisige Kälte in seinen alten Knochen zu mildern. Mit schlechten Augen blinzelte er zu dem Licht empor, das durch einen hoch gelegenen Fensterbogen fast waagerecht in den kalten Raum heineinstach. Seine Gedanken schweiften in wehmütige Fernen hinaus, jene, die nur von ihm allein wahrgenommen werden konnten.
     »Also gut, wenn der junge Herr es so wünscht«, seufzte der alte Mann tief, winkelte die Arme an den Leib und streckte seine steifen Schultern weit nach hinten. Seine Schultergelenke knackten vernehmlich, als er vorsichtig seine Arme streckte.
     Schon lange hatte Starislav aufgehört die Jahre zu zählen, in denen er dem Grafengeschlecht von Walbeck diente. Zuerst dem Vater als Pferdeknecht, dann dem Sohne als Stallmeister und jetzt, wo er zu keiner schweren Arbeit mehr taugte, durfte er dem quirligen Enkel die Zeit vertreiben. Waren bereits vierzig oder gar schon fünfzig Sommer vergangen, seitdem er von seiner Heimat an der Morcze 1 getrennt wurde?
    Er wusste es einfach nicht mehr. Woran er sich aber noch sehr gut erinnern konnte, das waren die Sagen und Legenden, die man sich damals in seiner Heimat erzählte. Und dies waren wahrhaftig nicht wenige.
     »Also«, begann er mit leicht bebender Stimme seine Geschichte. »Vor vielen, vielen Jahren lebte einmal ein Riesenmädchen an den Ufern der Feisneck.«
     »War sie groß?«, unterbrach ihn der kleine Thietmar.
     »Ja, sehr groß war sie«, bestätigte Starislav und ahnte, was nun folgte.
     »Wie groß?«, wollte es der Knabe nun genau wissen.
     »Oh, mindestens hundert Fuß war sie groß«, entgegnete der Greis, um den Jungen zu befriedigen.
     »Beim letzten Mal war sie aber größer«, beschwerte sich Thietmar enttäuscht.
     »Oh weih, ich hatte es glatt vergessen. Aber jetzt erinnere ich mich wieder«, korrigierte sich der alte Slawe schnell, um den Wünschen des jungen Herrn gerecht zu werden. »Sie war mindestens zweihundert Fuß
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